Bezness

Roufa ist ein „Bezness“, ein Gigolo, der sich sein Geld als Liebhaber mit europäischen Touristen verdient: er war mit Frauen zusammen, mit Männern, mit jungen und alten, er kennt alle Tricks. Der Film von Nouri Bouzid zeigt den Alltag von Roufa, die Irrungen und Wirrungen seiner Gefühle, seine Hoffnungen, Wünsche, Enttäuschungen, seine Resignation, die Ausweglosigkeit seines Lebens. Roufa ist seit geraumer Zeit verlobt mit der jungen, schönen Khomsa, die nach alten Sitten und Gebräuchen auf ihn wartet; er arbeitet als Führer durch die verschlungenen Pfade der arabischen Stadt für Fred, einem französischen Photographen, und er versorgt einen älteren deutschen Homosexuellen, der Roufa mit nach Deutschland nehmen möchte, mit jungen Männern. Zwischen diesen vier Hauptfiguren wirbelt Navette, der kleine Bruder von Khomsa, der als „go-between“ zwischen Roufa, Fred, den Kundinnen und Kunden und den übrigen Vertretern der „Bezness“-Geschäftswelt dient. Der Film konzentriert sich zunächst auf Fred, den Franzosen, der Bilder für eine Reportage über die „Bezness“ macht. Am Strand, wo Khomsa mit ihren Begleiterinnen Wolle wäscht, begegnet Fred dem jungen Mädchen zum erstenmal und ein feiner Faden spinnt sich zwischen den beiden. Fred ist am Meer zu sehen, er taucht durch die dämmrigen Gassen der arabischen Stadt, er dringt in den Bazar ein. Und immer fotografiert er. Auch Fred ist ein „Bezness“, auf seine Art. Dabei verletzt er die Tabus der islamischen Gesellschaft, denn wer ein Bild von einer Person besitzt, dem gehört diese Person. Fred gerät laufend in Schwierigkeiten, aus denen ihn Roufa wieder heraushauen muss. Und immer wieder begegnet er Khomsa, er folgt ihr, fotografiert sie, und während Roufa seinem „Beruf“ nachgeht, wird Khomsa kühner. Wenn Fred sie anschaut, schaut sie zurück.
Khomsa liebt zwar Roufa, gleichzeitig verachtet sie die Art, wie er sein Geld verdient, und sie mag sein herrisches Auftreten in der Familie nicht. Denn Roufa ist - wie Nouri Bouzid sagt – „nach außen modern, westlich, in seinem Denken aber feudal“. Während er unter den Touristen auf Fang geht und einzelne sogar mit nach Hause bringt, agiert er unter den Frauen seiner Familie als eifersüchtiger Macho und orientalischer Pascha. Niemand darf seine Verlobte oder seine Schwester anrühren. Und schließlich ist es Khomsa auch leid, immer länger auf Roufa zu warten.
Die Geschichte eskaliert, als Khomsa dem Franzosen in dessen Apartment folgt; sei es um Roufa herauszufordern, sei es aus Neugier und aus Lust, die engen Grenzen zu überschreiten, die der arabischen Frau gezogen sind. Doch überschreitet sie ihre eigenen Grenzen nicht, weder mit Roufa noch mit Fred geht sie ins Bett. Der Film lässt den Ausgang offen: Roufa, der die beiden endlich überrascht hat, lässt es bei Drohgebärden gegenüber Fred bewenden, Khomsa wäscht sich bei einem Marabout von der Schande frei. Am Schluss läuft der kleine Navette, der Roufa bewundert und einmal so werden möchte wie er, am Strand entlang. Er singt das Lied vom „Bezness“, spöttisch und zärtlich zugleich.

aus: EZEF-Arbeitshilfe Nr. 97, Regula Renschler, Februar 1994

Schlagworte: Lebensformen, Tourismus
Länder/Kontinente (inhaltlich): Afrika, Maghreb, Tunesien
Produktionsjahr1992
OriginaltitelBezness
ProduktionslandTunesien/Franreich
Ziel-/Altersguppeab 16 Jahren
Formate35mm, 16mm
Länge100 Minuten
BuchNouri Bouzid
RegieNouri Bouzid
KameraAlain Levant
TonHachemi Joulak
MusikAnouar Braham
SchnittKahena Attia
DarstellerAbdel Kechiche, Jacques Penot, Ghalia Lacroix
ProduktionCinetelfilms, Canal Horizons, Flash Films, Canal Plus, Channel Four, CNC, Südwestfunk
AuszeichnungenPublikumspreis der Französischen Filmtage Tübingen, 1992, Le Prix A.C.C.T., FESPACO Ouagadougou 1993
GenreSpielfilm
SprachfassungOmU