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Let’s make Money
Ein Film von Erwin Wagenhofer. Österreich 2008, 110 min.

Erwin Wagenhofer über seinen Film: „Vor Jahren fiel mir der Werbespruch einer Bank auf, der lautete: Lassen Sie Ihr Geld arbeiten. Wenn man über diesen Spruch nachdenkt, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass das ein unfassbarer Schwachsinn ist. Geld kann nicht arbeiten. Arbeiten können Menschen, Maschinen und vielleicht noch Tiere.
Wir wollten uns anschauen, wie das konkret aussieht: Was passiert, wenn unser Geld, das Kapital, arbeiten soll. Meistens funktioniert das über Ausbeutung, das war der Ausgangspunkt. Man mag sich fragen, was das mit uns persönlich zu tun hat. Es hat sehr viel mit uns zu tun, denn wir alle sind Aktionäre, ob wir Aktien besitzen oder nicht. Spätestens über unsere Pensionsfonds fließt das Geld in so genannte Fonds, in Aktienfonds etc. und wird dort vermehrt oder auch nicht – momentan sehen wir, wie es nicht vermehrt, sondern vernichtet wird. Und es ist letztlich immer das Geld der kleinen Leute, der ganz einfachen Menschen.
Momentan gibt es bei uns den großen Aufschrei, dass die Lebensmittel zu teuer sind – dabei sind nicht die Lebensmittel zu teuer, sondern unser Geld wird weniger wert. Wir schlittern auf eine ganz große Geldentwertung zu. Nicht das erste Mal – im vorigen Jahrhundert gab es mehrere. Also wer Geld hat, sollte sich noch schnell etwas Schönes anschaffen.
Mich interessieren keine kriminellen Sachen, sondern alles, was sich im legalen Rahmen abspielt. Das ist oft kriminell genug, aber in Wirklichkeit legal. Jersey z.B., eines von etwa 70 Steuerparadiesen auf der Welt, ist legal, das ist gemacht mit dem Wissen von Tony Blair und Frau Thatcher. Wir geben 70 Milliarden als Entwicklungshilfe nach Afrika und 110 Milliarden kommen als Zinsen zurück. Nur an Zinsen, nicht an Kapital, das kommt auch noch und die Waren, das Gold, die Baumwolle, die Hölzer, das Öl. Es gibt keinen Markt, es gibt nur Leute, die den Markt beherrschen wollen. Mich interessiert das System und das ist out of balance. Wir regen uns hier über Arbeitsplatzunsicherheiten auf und schimpfen auf die Konzerne, die Produktionsstätten verlagern. In Wirklichkeit sind es unsere Fonds, die nach Asien wandern und dort investieren.
Der amerikanische Dollar ist momentan die weltweite Leitwährung, bis zum Zweiten Weltkrieg war es das britische Pfund, weil das British Commonwealth international den größten Einfluss hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner das an sich gerissen und hatten eine Zeit lang die Goldbindung. Es glauben ja viele Leute, dass das Geld auch heute an das Gold gebunden ist. Doch das stimmt längst nicht mehr. 1973 hatte US-Präsident Richard Nixon Angst, dass gewisse Länder Amerikas Schulden, die durch die ungeheuren Kosten des Vietnamkrieges aufgelaufen waren, nun in Gold einfordern könnten. Die immensen Schulden waren längst nicht mehr durch Goldreserven gedeckt. Innerhalb ganz kurzer Zeit wurde die Währungsbindung von Gold auf Öl umgestellt. Öl ist der einzige Rohstoff, der ausschließlich mit Dollars zu erwerben ist. Wenn also hier zu Lande ein Ministerium Öl kaufen will, muss es zur Bank gehen und Dollars kaufen und kann damit das Öl bezahlen. Es gab einmal einen Saddam Hussein, der wollte mit dieser Praxis brechen und Öl für Euros und Yen und Rubel verkaufen. Und das war der wahre Grund – im Film wird das genau erklärt – warum es den Irakkrieg gab. Die USA sind die größte Wirtschaftsmacht der Welt, das einzige Empire, das es überhaupt noch gibt, und sind gleichzeitig die am meisten verschuldete Nation, die es gibt.
Die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist neben den Umweltproblemen ganz sicher die Verteilungsproblematik. Wenn die Ressourcen nicht gerechter – von gerecht ist überhaupt keine Rede – verteilt werden, wird’s riesige Probleme geben. Die Anzeichen sind da. Überall.

Ab 30.10.2008 im Kino Website zum Film: http://letsmakemoney.de/

Eisenfresser
Ein Film von Shaheen Dill-Riaz. Deutschland, Bangladesh 2007,
85 min.

Containerschiffe und Frachter liegen an den Stränden von Chittagong, der Wirtschaftsmetropole mit dem größten Seehafen Bangladeshs. Hier wird der maritime Schrott der westlichen Welt demontiert. Unzählige Arbeiter zerlegen, unter lebensgefährlichen Umständen und nur mit primitivsten Werkzeugen ausgestattet, die ausgedienten Ozeanriesen. Bangladesh decke, so heißt es, damit den Stahlbedarf des ganzen Landes. Die Arbeiter – die meisten kommen aus dem von Dürre geplagten Norden des Landes – werden mit Hungerlöhnen abgespeist; geknebelt durch ein für sie undurchschaubares System von nicht ausgezahlten Vorschüssen, Krediten, Mieten für die werfteigenen Unterkünfte und Kosten für Lebensmittel, sind sie am Ende der Saison meist hoch verschuldet. Regisseur Shaheen Dill-Riaz, in Chittagong geboren und in Deutschland ausgebildet, gelingt es, den Lebensrhythmus der Arbeiter in Filmbildern einzufangen, die ihre Entwürdigung und Anstrengung fast körperlich spürbar machen, und die komplexen sozialen und ökonomischen Abhängigkeitsverhältnisse eines neuen Proletariats, dessen Ausbeutung hohe Profite für Wenige abwirft, darzustellen. „Eisenfresser“ durchbricht die Ignoranz derer, die für das Schicksal der Werftarbeiter mitverantwortlich sind: die westlichen Konsumenten und die anderen Globalisierungsgewinner, die sich auf Kosten der Menschen in Bangladesh preiswert ihres Altmaterials entledigen.

Film des Monats Juni 2008 der Evangelischen Filmarbeit

Persepolis
Ein Film von Marjane Satrapi und Vincent Parronaud. Frankreich 2007, 90 min.

Persepolis, die ehemalige Hauptstadt des antiken Perserreichs, ist Titel des autobiografischen Comics von Marjane Satrapi, den sie zusammen mit Vincent Paronnaud nun zu einem Animationsfilm gemacht hat. Marjane ist acht Jahre alt, als 1979 die islamische Revolution die iranische Gesellschaft erschüttert. Während der iranisch-irakische Krieg tobt, schwärmt die junge Teheranerin für die westliche Populärkultur. Über die zunehmenden Repressionen besorgt, schicken die Eltern ihre 14-jährige Tochter nach Wien. Geplagt von Heimweh kehrt Marjane nach Teheran zurück und versucht vergeblich, sich dort zu integrieren. Im Alter von 33 Jahren emigriert sie schließlich nach Frankreich, wo sie das wechselvolle Leben zwischen zwei Kulturen mit Selbstironie und Situationskomik im Comic-Format festhält.

Das Institut für Kino und Filmkultur hat im November 2007 eine Arbeitshilfe für LehrerInnen zu diesem Film herausgegeben, die unter http://www.film-kultur.de/glob/kc_2007_persepolis.pdf abrufbar ist.

Tuyas Hochzeit
Ein Film von Wang Quan’an, China 2006

Nachdem Tuyas Ehemann Bater nach einem Unfall zum Invaliden geworden ist, ist sie es, die für die Familie sorgen muss. Als auch sie sich verletzt, beschließt das Paar, sich scheiden zu lassen, um eine neue Ehe zu ermöglichen. Allerdings soll der neue Ehemann sich auch um Bater kümmern. Zahlreich sind die Freier, doch keiner genügt Tuyas Ansprüchen. Schließlich willigt sie in eine Ehe mit einem reich gewordenen Jugendfreund ein, der Bater jedoch in einem Pflegeheim in der Stadt unterbringt. Die Sehnsucht nach Tuya und den beiden Kindern stürzt ihn in Verzweiflung. Tuya muss erneut handeln. Eine besondere Zuneigung verbindet sie mit Senge, der ihr ständig über den Weg läuft. Seine Frau hat ihn verlassen. Als er von Tuyas und Baters Sorgen erfährt, will er sie heiraten. Doch damit sind die Probleme keineswegs gelöst. Selbstbewusst und hartnäckig sucht Tuya einen Weg aus ihrer Notlage. Heiratsbeziehungen dienen in einer Hirtenkultur vor allem auch der sozialen Sicherung. Kunstvoll verschränkt der Film solidarisches Verhalten mit den emotionalen Bedürfnissen der Einzelnen. Die moderne Gesellschaft dringt durch Straße und Stadt immer stärker in die Lebensverhältnisse der Nomaden ein. Der mit dem Goldenen Bären 2007 ausgezeichnete Film entwirft in einer Mischung aus Bitterkeit und Komik, Realismus und Emotionalität das Bild einer Gesellschaft im Übergang.

Weitere Informationen: www.arsenalfilm.de

Film des Monates der Evangelischen Filmarbeit September 2007

Erde und Asche
Ein Film von Atiq Rahimi, Afghanistan, Frankreich 2004

Mitten in einer staubigen Einöde Afghanistans steigt der alte Dastagir mit seinem Enkel Yassin aus dem Bus. Sie erreichen eine beschädigte Brücke, die ein ausgetrocknetes Flussbett überspannt. Beide sind auf dem Weg zu Yassins Vater, der in einer Kohlenmine arbeitet, um ihm schreckliche Nachrichten vom Tod ihrer Angehörigen und von der Zerstörung ihres Dorfes durch kriegerische Gewalt zu überbringen. Dastagir ist erschöpft und Yassin infolge einer Bombenexplosion taub. Sie warten auf eine Mitfahrgelegenheit durch die Wüste. In Tagträumen kehren für Dastagir immer wieder die Bilder des Krieges und des Terrors zurück. An der Brücke trifft er auf einen genervten Wachposten, den freundlichen Besitzer eines kleinen Ladens und eine geheimnisvolle, verhüllte Frau im Schatten eines zerstörten Panzers, die ebenfalls zu warten scheinen und Opfer des Krieges sind, der irgendwo tobt. Schließlich erreicht Dastagir die Kohlenmine, doch er kann dem Sohn nur eine Nachricht hinterlassen. Der Film ist ein Trauer- und Klagegesang, der den Leiden der vielen namenlosen Opfer des Krieges eine Stimme verleiht. In eindringlichen Bildern öffnet sich der Raum für die traumatischen Erfahrungen, die Großvater und Enkel erlitten haben. Einsam und hilflos, versetzt in eine unwirtliche, lebensfeindliche Szenerie, verkörpern sie die Lähmung, die die Kriegserfahrung hinterlassen hat. Schmerz und Trauer brauchen Zeit, bis sie in Klage und Erzählung Ausdruck finden können. Der Film nimmt den Zuschauer in dieses stockende Zeitgefühl hinein und verdichtet es zu einer erschütternden Elegie. Asche und Erde spielen in zahlreichen religiösen Trauerritualen eine wichtige Rolle. Im Film werden sie zu augenfälligen Metaphern der Sinnlosigkeit kriegerischer Gewalt und zu Zeichen unaussprechlichen Leids, das in der Klage geteilt werden kann.

Film des Monats Juli 2007 der Evangelischen Filmarbeit

Weitere Informationen: www.ezef.de

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