Die Vielfältigkeit des afrikanischen Kontinents
Spiel- und Dokumentarfilme afrikanischer Autorinnen und Autoren werfen einen je eigenen Blick auf die Länder, die uns doch vornehmlich durch die Augen westlicher Filmschaffender vermittelt werden, auch wenn diese oftmals von hoher Qualität und Empathie geprägt sind. Auch hier gibt Filmfestivals, die afrikanische Filme in den Mittelpunkt stellen und die Möglichkeit eröffnen, afrikanisches Filmschaffen zu entdecken und sich mit Formen und Inhalten näher auseinander zu setzen. So führt die Filminitiativ Köln vom 20.-30.09.2012 mittlerweile schon zum 20. Mal das Festival Jenseits von Europa durch. Das Jubiläumsprogramm trägt einmal mehr dazu bei, sich von der Begeisterung und Entdeckerfreude mitreißen zu lassen, die das Festival ausmacht. Ein Einblick ist unter www.filminitiativ.de zu gewinnen. Auch Africavenir stellt regelmäßig neues afrikanisches Kino vor – www.africavenir.org – und in Berlin zeigt Afrikamera im November Filme aus verschiedenen afrikanischen Ländern www.afrikamera.de
Filme afrikanischer Filmschaffender stehen – zum Teil – auch für die Bildungsarbeit zur Verfügung. Einige aus dem Afrika südlich der Sahara sollen hier vorgestellt werden, als Symbol für die Vielschichtigkeit des filmischen Schaffens auf dem afrikanischen Kontinents und ihrer kulturellen Ausdrucksformen und um die Neugierde zu wecken, mehr erfahren zu wollen.
Der senegalesische Schriftsteller und Filmemacher Ousmane Sembène gibt als der Altmeister des afrikanischen Kinos. Sein Film Borrom Sarret aus dem Jahr 1966 wird als der 1. afrikanische Film bezeichnet. Zwischen 1992 und 2004 hat er drei Filme gedreht, die er „Dem Mut im Alltag“ gewidmet hat. In allen geht es um tatkräftige Menschen, die überkommener Strukturen überwinden und verkrustete Traditionen aufbrechen wollen, um einen Neuanfang zu machen und nach der Unabhängigkeit neokoloniale Strukturen abzuwerfen. So geht es in seinem Film Guelwaar um die verheerenden Auswirkungen von Nahrungsmittelhilfe in Afrika ebenso, wie um die gesellschaftlichen politischen und religiösen Probleme einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft, die hier am Beispiel Senegals geschildert wird.
Faat Kiné widmet Sembène den mutigen Frauen, die nicht nur ihre Kinder erziehen, sondern die Wirtschaft des Landes am Laufen halten. In Molaadè wiederum greift er die Tradition der Mädchenbeschneidung auf, um sie zu demontieren. „Es ist leichter, sich hinter den Werten der Vergangenheit zu verstecken, als sich damit zu befassen, die Zukunft zu gestalten“, so Sembène zu seinem Film.
Auch der ebenfalls aus dem Senegal stammende Filmemacher Djibril Diop Mambéty gehört zu den Großen des afrikanischen Kinos. Zwei seiner letzten kürzeren Filme sind Teil der nicht vollendeten Trilogie „Geschichten der kleinen Leute“, in denen ebenfalls der Mut derjenigen im Mittelpunkt steht, die unter widrigen Bedingungen ihren Alltag meistern müssen. Marigo zum Beispiel. In dem Film Das Los wird dem erfolglosen Musiker sein Lottoeriegewinn vor dem Hintergrund der massiven Abwertung des Franc CFA – fast – zum Verhängnis. In Die Kleine Verkäuferin der Sonne behauptet sich das Mädchen Sili mit viel Energie und stolzer Lebensfreude trotz ihrer Behinderung als Straßenverkäuferin der Zeitung Le Soleil. Es ist ein Glück, dass auch einer der ersten Spielfilme Mambétys als DVD vorliegt und so für die Bildungsarbeit zugänglich ist: Touki Bouki, 1973 entstanden, ist das überschäumende Portrait einer afrikanischen Jugend zwischen Aufbruch und Verantwortung in dem noch jungen unabhängigen Kontinent.
Die Suche nach der kulturellen Identität spielt auch in den Filmen von King Ampaw eine bedeutende Rolle. In Kukurantumi – Road to Accra aus dem Jahr 1983 verfolgt der ghanaische Regisseur die Wirrungen von Addey zwischen dem traditionellen Leben auf dem Dorf und der Geschäftemacherei in der Hauptstadt.
King Ampaw hat mit Juju und No time to die auch wunderbare Komödien gedreht – in letzterer geht es um den Bestatter Asante, der seinen Beruf mit großer Freude ausübt, der seine große Liebe aber auf eine harte Probe stellt. „Das europäische Bild von Afrika besteht fast nur aus Armut, Korruption, Aids und Krieg. Aber es gibt auch ein normales Leben und wir afrikanischen Filmemacher können auch Menschen zum Lachen bringen. Das versuche ich mit meinen Komödien zu zeigen.“
Eine dramatische zeitgenössische Komödie hat Pierre Yameogo 2003 gedreht. Ich und mein Weißer erzählt von der unfreiwilligen Freundschaft des burkinabesischen Studenten Mamadi, der in Paris plötzlich ohne das Geld seines Stipendiums dasteht, und dem Franzosen Franck. Als sich die beiden nach ihrer glücklosen Suche nach Geld gezwungen sehen, in Ouagadougou Zuflucht zu finden, werden alle möglichen Vorurteile auf den Kopf gestellt.
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und die damit verbundene Suche nach Identität hat den äthiopischen Filmschaffenden Haile Gerima immer wieder beschäftigt. Sein letzter Film Morgentau – Teza erzählt die Geschichte von Anberber, der in der DDR studierte, bevor er voller Elan nach Äthiopien zurückkehrte, um am Aufbau einer sozialistischen Zukunft mitzuwirken. Die Enttäuschung des entwurzelten Intellektuellen, die Irrungen auf der Suche nach Heimat und Anerkennung, davon erzählt das epische Werk.
Auch der Raoul Peck greift mit seinem biographischen Spielfilm Lumumba ein Stück afrikanischer Geschichte auf. Das an den historischen Fakten orientierte Werk berichtet über das Leben des 1. Ministerpräsidenten des unabhängigen Kongo, der zwischen den Erwartungen der Bevölkerung an die Unabhängigkeit, der ehemaligen Kolonialmacht Belgien und den Forderungen der rohstoffreichen Provinz Katanga zerrieben wird.
Die unerbittlichen Erfahrungen, die Nyasha und Florence, deren Kriegsname Flame sein wird, im zimbabwischen Unabhängigkeitskampf machen, stehen im Mittelpunkt des Films von Ingrid Sinclair aus dem Jahr 1996. 15 Jahre nach Ende des Krieges treffen sich die Freundinnen wieder und konfrontieren sich mit der Vergangenheit und dem noch immer aktuellen Kampf um Anerkennung und die persönliche Freiheit als Frau.
Produziert wurde dieser Film von Simon Bright und der zimbabwischen Produktionsgesellschaft Zimmedia. Simon Bright hat gerade einen Dokumentarfilm fertiggestellt, der sich auf den Spuren Robert Mugabes durch die jüngste Geschichte Zimbabwes begibt, die Zeit, die Flame fiktional aufgreift. In Robert Mugabe … what happened? versucht er aufzudecken, wie sich der umjubelte Freiheitsheld zum gefürchteten Diktator verwandeln konnte. Der Film wird im Herbst für die Bildungsarbeit zur Verfügung stehen. Im November stellt Simon Bright seinen Film in verschiedenen deutschen Städten vor. Nähere Informationen unter www.ezef.de
Dokumentarisch hat sich auch Idrissou Mora Kpai mit seiner Heimat Niger auseinandergesetzt. In Arlit – ein zweites Paris begibt er sich in die Stadt Arlit im Norden des Landes, die, einst als uranreiche Stadt dem Wohlstand und Prunk von Paris nacheiferte, und heute verarmt und vergessen mit den Folgen der Umweltzerstörung zurechtkommen muss.
Der Kameruner Jean Marie Teno deckt in seinem Dokumentarfilm Das koloniale Missverständnis auf, indem er sich auf den Spuren der „Rheinischen Missionsgesellschaft“ und ihr widersprüchliches Engagement in den ehemaligen deutschen Kolonien begibt. 1828 gegründet, um die christliche Botschaft zu verbreiten, war die Missionsgesellschaft schon nach kurzer Zeit eng mit der kolonialen Unterwerfung Afrikas verbunden.
In ihren dokumentarischen Arbeiten greifen César und Marie-Clémence Paes die kulturelle Vielfalt Madagaskars auf. Angano … Angano … Geschichten aus Madagaskar eröffnet ein Kaleidoskop an Bildern und Überlieferungen. Mahaleo bedeutet in malgache Freiheit und Unabhängigkeit. In Madagaskar ist die gleichnamige Band zum Symbol geworden und in ihren Liedern und Texten Chronist der jüngsten Geschichte ihres Landes. Der gleichnamige Dokumentarfilm begibt sich auf die Spuren der Band und damit unmittelbar in die Geschichte und Gegenwart Madagaskars.
Nähere Informationen zu den hier vorgestellten Filmen finden Sie auch in der Datenbank.
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