Afrikanische Vielfalt

boromsarretSeit der senegalische Schriftsteller und Filmemacher Ousmane Sembène mit „Borom Sarret“ 1963 den ersten rein afrikanischen Film realisierte, hat sich bis heute eine vielfältige afrikanische Filmkultur entwickelt, die Leben, Leiden, Hoffen und Sehnen des Kontinents abbildet. In seinem Film erzählt er die Geschichte eines Mannes, der eine Lastkarre durch die Straßen der senegalesischen Hauptstadt Dakar zieht, von dessen Armut und den enttäuschten Hoffnungen, die die Mehrheit der Bevölkerung mit der Unabhängigkeit verbanden. Einige Filme des großen Filmkünstlers, der sich immer wieder mit den Folgen des Kolonialismus und den verwestlichten Eliten seiner Heimat beschäftigte (z.B. in seinen Filmen „Xala“ oder „Guelwaar“), legte auch den Finger in die Wunden der eigenen Traditionen, die „Fortschritt“ im Sinne einer eigenständigen Entwicklung behinderte. In seinem Film „Moolaadé – Im Bann der Hoffnung“ (2004) widmet er sich zum Beispiel den verheerenden Auswirkungen der Beschneidung auf ganze Generationen von Mädchen und jungen Frauen und stellt auch hier eine starke Frau in den Mittelpunkt, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu wehren weiß.

Zu den Klassikern des afrikanischen Films gehören unbedingt die Werke des ebenfalls aus dem Senegal stammenden Filmemachers Djibril Diop Mambéty. Seine „Geschichten der kleinen Leute“ oszillieren zwischen realistischer Lebensbeschreibung und märchenhaften Elementen, wenn er zum Beispiel den Musiker Marigo in der verzweifelten Situation, in die die Abwertung des Franc CFA viele arme Menschen gebracht hat, ein Lotterielos kaufen lässt – das zwar gewinnt, das er aber zur Sicherheit fest an seine Zimmertür geklebt hat.

notimetodieAuch der aus Ghana stammende Filmemacher King Ampaw gehört zu den Alten seines Faches und verwendet Elemente der Komödie, wenn er auf drängende Probleme wie Korruption und Vetternwirtschaft („Kukurantumi – Road to Accra“) oder Trauer, Tod und Sterben („No Time to Die“) eingeht. In diesem Film geht es um den Leichenwagenfahrer Asante und sein Problem, trotz seines unattraktiven Berufs eine Frau zu finden. King Ampaw über seine Filme : „Das europäische Bild von Afrika besteht fast nur aus Armut, Korruption, Aids und Krieg. Das ist das, was man im Fernsehen zu sehen bekommt. Aber es gibt auch ein normales Leben, wir haben auch Kultur, Tradition und Unterhaltung. Afrikanische Filmemacher können auch Menschen zum Lachen bringen. Das versuche ich mit meinen Komödien zu zeigen.“

Mittlerweile gibt es gut ausgebildete junge Filmemacher, die selbstverständlich zwischen Afrika und Europa leben und aus der Fülle ihres Wissens und ihrer Erfahrungen die Geschichten ihrer Filme entwickeln. Der junge aus Senegal stammende Alain Gomis zum Beispiel, der für seinen Film „Félicité“ bei der Berlinale 2017 mit dem Silbernen Bären und dem großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. In seinem Film, den er in der pulsierenden Hauptstadt des Kongo ansiedelt, hält sich Félicité mit einer wunderbaren Stimme als Nachtclubsängerin über Wasser, bis sie eines Tages erfährt, dass ihr Sohn bei einem Autounfall schwer verletzt wurde. Sie tut alles, um das nötige Geld für die Operation zusammenzubekommen, stößt dabei aber auf Ablehnung, Unverständnis und Betrug, bis es zu spät ist: Das Bein ihres Sohnes musste amputiert werden. Voller Misstrauen kann sie nur langsam die Hilfe, die sie in der schwierigen Situation erhält, wahrnehmen.

Yared Zeleke erzählt in seinem Film „Ephraim und das Lamm“ die Geschichte eines Jungen, der in der Fremde bestehen muss. Nach dem Tod der Mutter bringt ihn sein Vater zu Verwandten ins äthiopische Hochland, um selbst in der Stadt Arbeit zu suchen. Die schleichende Armut, der Hunger, der das Leben der Menschen überschattet, steht im Gegensatz zur Freude Ephraims am Kochen, das er von seiner Mutter gelernt hat, und wofür er sich den Tadel seines Onkels einhandelt, der aus ihm einen richtigen Mann machen möchte. Der Hunger, der auch für den Tod Ephraims Mutter verantwortlich ist, war, so Regisseur Yared Zeleke auch ständiger Begleiter seiner Kindheit und Jugend.

Timbuktu.jpgDer aus Mauretanien stammende Regisseur Abderrahman Sissako widmet sich in seinem 2014 entstandenen Film „Timbuktu“ dem Ausmaß der Zerstörung, die islamistischer Terror über die malische Stadt gebracht hat. Dabei verwebt er fein das traditionelle Leben der Stadt mit seiner religiösen Offenheit und Bildung, sowie die Streitigkeiten zwischen den nomadisch lebenden Viehzüchtern und Fischern, mit dem Einbruch der Fremden in eine keineswegs idyllische Welt. Die filmische Erzählweise verdeutlichen, wie die Gewalt langsam in den Alltag einsickert, sowie den passiven Widerstand, den die Bewohner für ihr Überleben leisten.

Während Regisseur Moussa Touré in seinem Film „Die Piroge“ die Dramatik der Flucht einer Gruppe unterschiedlicher Menschen auf einem Fischerboot über das Mittelmeer nach Europa schildert, beschreiben die jungen Regisseurinnen Dyana Gaye („Unterm Sternenhimmel“) und Sarah Bouyain („Unsere Fremde“) andere Migrationsgeschichten um die Sehnsucht und Notwendigkeit, die Erwartungen, Träume und Hoffnungen, die mit dem Leben im jeweils anderen Kontinent verbunden sind. Während Dyana Gaye die Geschichten von drei Menschen kunstvoll miteinander verknüpft, die mit unterschiedlichen Motiven aus Senegal nach Italien, Italien in die USA und den USA nach Senegal reisen, geht es in dem Film von Sarah Bouyain um die Suche einer jungen Französin nach ihrer aus Burkina Faso stammenden Mutter und somit um die Entdeckung ihrer eigenen verborgenen Geschichte.

saarabaAuch europäische Filmemacherinnen und Filmemacher widmen sich mit großer Kenntnis afrikanischen Themen, indem die Erzählungen des Nachbarkontinents nicht als das Fremde, sondern das eng verbundene Andere schildern. Peter Heller beschäftigt sich seit den 1970er Jahren den Auswirkungen der Kolonialzeit auf unser heutiges Verhältnis zu Afrika und verlängert diese bis zu den Verwerfungen der Entwicklungshilfe, die er in seinem Film „Das süße Gift“ kritisiert. In seinem jüngsten Film „Life Saaraba Illegal“ folgt er zusammen mit seinem Koautor Saliou Sarr dem Lebensweg zweier Brüder, die sich von der senegalesischen Insel Niodior auf den Weg nach Europa gemacht haben und in Spanien gestrandet sind. Dort lebte der eine zehn Jahre lang in der Illegalität, während der andere der beiden erst nach fünf vergeblichen Versuchen das spanische Festland erreichte und nun seine Erwartungen mit der Realität vergleichen muss.

Die Schweizer Filmemacherin Silvia Voser wiederum widmet sich in ihrem einfühlsamen Portrait der senegalesischen Schriftstellerin Ken Bugul. 1947 geboren ist sie die erste, die ihr Dorf für ein Studium in Brüssel verlässt, wo sie Anerkennung und Abweisung gleichermaßen erfährt. Die Rückkehr und der Neuanfang in der Heimat gelingen durch das Schreiben. Auf ihren Wanderungen durch Dakar trifft sie auf die Zeichnungen ihres alten Freundes Djibril Diop Mambéty an einer Wand, der dort seine Ode an die Straßenkinder und die Geschichte der „Kleinen Verkäuferin der Sonne“ verewigte.

feliciteNeue afrikanische Filme finden zwar selten ihren Weg ins Kino, sie sind aber beständig zu Gast bei Festivals und Filmereignissen. Die Filminitiativ Köln hat in diesem Jahr zum 15. Mal das Afrika Filmfestival mit einem interessanten Programm gestaltet: http://www.filme-aus-afrika.de/DE/home/
Das Festival Africa Alive im Filmmuseum Frankfurt bietet eine breites Spektrum an aktuellen Spiel- und Dokumentarfilmen: http://www.africa-alive-festival.de/
In Hamburg fand im November zum 6. Mal das Augenblicke Afrika Filmfestival statt. http://www.augen-blicke-afrika.de/blog/
Die Französischen Filmtage in Tübingen in Tübingen stellen alljährlich in ihrem Fokus Afrika neue Filmproduktionen aus der Frankophonie vor: http://franzoesische.filmtage-tuebingen.de/filme/fokus-afrika/

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