Digitalisierung für transformativen Wandel

Die politische Gestaltung der Digitalisierung entscheidet darüber, ob sie zum Brandbeschleuniger sozialer und ökologischer Krisen oder zum Werkzeugkasten für eine nachhaltige Zukunft wird. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) bei der Erstellung seiner Digitalagenda, die Umwelt und Digitalisierung konsequent verbinden soll, 2020 beraten. Digitalisierung, so hebt es das Wuppertal Institut hervor, bietet viele Chancen für die Senkung von Energie- und Umweltverbrauch sowie für die Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Digitalisierung hat aber auch selbst einen ökologischen Preis: Rechenzentren, Kommunikationsinfrastrukturen und unzählige Endgeräte verbrauchen immer mehr Energie und tragen zum Klimawandel bei. Immer wichtiger wird auch der Ressourcenverbrauch der Digitalisierung durch die Herstellung der Hardware. Weltweit steigt der Einsatz von kritischen Rohstoffen in Elektronikgeräten. Die Herausforderung ist daher, Geräte und Infrastrukturen ressourcen- und energieeffizienter zu gestalten, die Versorgung schnell mit grünem Strom aus erneuerbaren Energien zu gewährleisten und die Standortplanung vor allem von Rechenzentren an einer bestmöglichen Abwärmenutzung auszurichten. Derzeit fehlen zudem noch wirkungsvolle Strategien für eine umwelt- und sozialverträgliche Gewinnung, Verarbeitung und Kreislaufführung der eingesetzten Ressourcen.

Diese komplexe Gestaltung global zu denken und umzusetzen, wird eine der Hauptaufgabe der Zukunft sein. Die positiven Aspekte der Digitalisierung stellt der Film „Digital Africa – ein Kontinent erfindet sich neu“ von Elke Sasse und Bettina Haasen vor. Von digitalen Bezahlmethoden über Unterstützung im Gesundheits-, Bildungs- und Landwirtschaftssektor, bis hin zu Verkehrsplanung und Ressourcenverbrauch reichen die kreativen Ideen junger Start-Ups in afrikanischen Ländern. Durch die Digitalisierung ist ein schneller Anschluss an weltweiten technologischen Fortschritt geglückt, von denen afrikanische Länder lange ausgeschlossen zu sein schienen. Vor allem die Mobilfunk-Telefonie hat hier einen technologischen Sprung ermöglicht, den viele westliche Beobachter für unmöglich hielten. So wird 2020 in Südafrika und Ruanda die Produktion von Mobiltelefonen aufgenommen, während deren Fertigung in Europa schon vor Jahren gänzlich nach Asien abgewandert ist.

Der Film ist Teil der Kompilations-DVD „Afrika_Digital.2, die auch andere Aspekte der Digitalisierung beinhaltet. Die österreichische Filmkünstlerin Manu Luksch geht in ihrem kurzen Experimentalfilm „Algo-Rhythm“ zusammen mit senegalesischen Rap-KünstlerInnen der politischen Beeinflussung durch Neuen Medien nach. Darin nehmen zwei Kandidatinnen für das Präsidentenamt die Dienste eines Mr. X in Anspruch, der sie von seiner Methode der Wahlbeeinflussung überzeugen will. Politische Willensbildung und Meinungsfreiheit seien Konzepte von gestern, heute gehe es darum, die Wähler mithilfe von Algorithmen zu manipulieren und ihnen eine konfliktfreie Zukunft zu versprechen.

Auch das mehrfach ausgezeichnete Musikvideo „Zombies“ des belgisch-kongolesischen Rappers und Filmemachers Baloji ist eine provozierende Auseinandersetzung mit den entgrenzten Folgen von Digitalisierung. Ein fiktiver Wahlkampf wird als Happening auf den Straßen der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa inszeniert. Dabei spielt eine junge, mittlerweile weltweit bekannte und beachtete Künstlerszene mit den Sozialen Medien und ironisiert die mit der Digitalisierung einhergehende Veränderung der zwischenmenschlichen Beziehungen als ‚Zombifizierung‘.

Der ebenfalls auf der DVD enthaltene Dokumentarfilm „Chinafrika.mobile – Mobiltelefone auf dem Weg durch drei Kontinente“ problematisiert eine andere Seite der Digitalisierung am Beispiel der Produktion eines Mobiltelefons: Von der mühsamen und gefährlichen Gewinnung wichtiger Rohstoffe in den Minen im kongolesischen Kolwezi, über die Produktion in chinesischen Fabriken im Perflußdelta, bis zum Gebrauch und der Wiederverwertung auf den Märkten von Lagos, Nigeria. Gedreht wurde mit Handy-Kameras, deren Bilder die Handels- und Gebrauchswege seiner eigenen Herstellung nachzeichnen. ProduzentInnen der Bilder sind Minenarbeitern, Fabrikangestellten, HändlerInnen und Elektroschrott-SammlerInnen im Kongo, in China und Nigeria, die Daniel Kötter in diesem Film kunstvoll verbindet.

Jugendlichen für die Umweltwirkungen der Nutzung digitaler Geräte zu sensibilisieren und Handlungsansätze für Verhaltensänderung zu entwickeln ist Ziel der Handy-Aktion, zu der sich AkteurInnen aus Entwicklungspolitik und Nachhaltigkeit in verschiedenen Bundesländern zusammengefunden haben.

Die DVD „Digital – Mobil – und fair?“ mit fünf kurzen Filmen zum Thema wurde in diesem Kontext entwickelt, um einerseits Bewusstsein für die vielfältigen Rohstoffe, die zur Herstellung von z.B. von Handys gebraucht werden, herzustellen, aber auch Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ein besserer Umgang hiermit möglich ist. So rückt Tilman Achtnich in seiner Dokumentation „Sklavenarbeit für unseren Fortschritt“ am Beispiel einer Goldmine im Kongo, einer Wolfram- und einer Zinn-Mine im Hochland von Bolivien den Anfang der Rohstoffkette für unsere Gebrauchsgüter genauer in den Blick. Am Beispiel des Fairphones werden aber auch Möglichkeiten einer fairen und umweltbewussten Lieferkette aufgezeigt („Handy für das gute Öko-Gewissen?“) oder erläutert wie viele Rohstoffe bei dem Recycling alter Elektrogerate gewonnen werden können („Pfand oder Tonne“).

Rohstoffproduzenten für den digitalen Wandel zu sein, ist für viele Länder des Globalen Südens noch immer die engste Verbindung zu dem, was Fortschritt und Nachhaltigkeit so maßgeblich beeinflussen sollte. Die Hochebene der Salinas Grandes birgt eines der größten Lithiumvorkommen der Welt. Um es abzubauen wird das letzte Süßwasser der Wüste benötigt und dafür von Konzernen in riesige Becken gepumpt. So bedroht der Rohstoffhunger der Batterieindustrie die Hirten und die traditionelle Salzgewinnung der indigenen Kolla und Atacama. „Oro Blanco“, der Dokumentarfilm von Gisela Carbajal Rodríguez erzählt vom Leben und den Ängsten der Menschen, deren Lebensgrundlage langsam schwindet.

Startbild aus dem Film: „Zombies“ von Baloji