Globales Lernen und soziale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit ist im Globalen Lernen neben wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, demokratischer Politikgestaltung und ökologischer Verträglichkeit eine der vier Zieldimension für nachhaltige Entwicklung. Sie gehört eng zu dem Thema „Fair Trade, Lieferketten, Welthandel“, Filme zu diesem Thema sind im Themenschwerpunkt 01/21 zusammengefasst.
Der Themenschwerpunkt „Gerechtigkeit“ der ARD im November 2018 widmet sich auch globalen Fragen. Auf dem Schulkanal des Senders Planet Schule sind unter dem Titel „Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt“ Filme für SchülerInnen ab Klasse 8 zusammengestellt. Sie befassen sich mit den großen Themen Mode/Textilindustrie, Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Ernährungssicherheit, Energie- und Wasserversorgung. Filme, die nicht mehr über Planet Schule zur Verfügung stehen, sind im Verleih von Medienzentralen oder Bildstellen nach wie vor für die Bildungsarbeit verfügbar.
Mit dem Thema Ernährung befasst sich Filmemacher Valentin Thurn seit vielen Jahren. Seine Filme „Taste the Waste“ und „Essen im Eimer“ wurden nicht nur mehrfach ausgezeichnet, durch sie wurde die Debatte um das Ausmaß der Nahrungsmittelverschwendung erst befeuert und hat zu einem öffentlichen Umdenken geführt. In seinem Film „10 Milliarden – wie werden wir alle satt?“ wirft er einen Blick in die Zukunft, wenn – im Jahr 2050 – 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Doch auch hier ist es kein pessimistischer Ausblick, den Valentin Thurn befördert, sondern die vielen Möglichkeiten, die uns schon heute an Veränderungen offenstehen, weiterzuführen. Inspirierende Ideen sind auf der website von „Taste the Waste“ zusammengestellt.
Mit dem Thema Hunger als Folge einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung haben sich Marcus Vetter und Karin Steinberger in ihrem Film „Hunger“ auseinandergesetzt, der in Mauretanien, Kenia, Indien, Brasilien und Haiti dem Phänomen nachspürt und die vielen Verwerfungen, die dadurch erzeugt werden, aufzeigt.
„Kein Brot für Öl – der Biosprit-Boom in Kolumbien“ von Renate Werner greift beispielhaft ein Phänomen auf, unter dem Kleinbauern weltweit leiden – der Umwidmung ihrer Lebensgrundlage für die exportorientierte Agrarindustrie. Dem geht Joakim Demmer in seinem Film „Das grüne Gold“ in Äthiopien nach, einem Land, in dem Nahrungsmittelknappheit immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Dort verpachtet die Regierung Millionen Hektar scheinbar ungenutzten Landes an ausländische Investoren, in der Hoffnung auf Exporteinnahmen und nimmt damit die größte Zwangsvertreibung in der heutigen Zeit billigend in Kauf.
Auch Inge Altemeier und Reinhard Hornung (Global Film) beschäftigen sich seit langem mit den Themen sozialer Gerechtigkeit im Zeichen der Globalisierung. In ihrem Film „Todschick – die Schattenseite der Mode“ gehen sie den unbeschreiblichen Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen und Arbeitern in der internationalen Modeindustrie nach. Dabei gehen sie weit über die Verantwortung der einzelnen KonsumentInnen hinaus, indem sie – wie in Frankreich schon geschehen – gesetzliche Grundlagen fordern.
Kinderarbeit ist Folge einer Ungerechtigkeit, die wirtschaftliches Wachstum über die Bedürfnisse der schwächsten der Gesellschaft stellt. „Marlen, la Cartonera“ arbeitet in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires als Müllsammlerin. Dass sie nicht zur Schule gehen kann, scheint sie nicht zu beschäftigen – sie hat einfach keine Zeit dafür. „Kavi“ in dem gleichnamigen Kurzspielfilm von Gregg Helvey wiederum, will nichts mehr als das, wenn er Gleichaltrige in der indischen Region Maharashtra auf ihrem Weg zur Schule beobachtet. Doch er ist, wie seine Eltern, in Schuldknechtschaft gefangen, aus dem er sich nur durch den beherzten Einsatz einer indischen Menschenrechtsorganisation befreien kann.
Wie eng die Zieldimension soziale Gerechtigkeit mit Demokratie, Wirtschaft und Ökologie verbunden ist, vermittelt sich auch in langen Dokumentar- und Spielfilmen – die das Thema nicht direkt aufgreifen, aber durch einen empathischen Blick auf die Lebenswirklichkeit von Menschen unter schwierigen Bedingungen diese erkennen und miterleben lassen.
„Felicité“, die Protagonistin im gleichnamigen Film von Alain Gomis findet niemanden, der ihr hilft, als ihr Sohn nach einem Unfall im Krankenhaus liegt. Alles kostet Geld, die Operation, die sein Bein retten könnte, die Medikamente, der Verdienstausfall. So macht sie sich auf der Suche nach Unterstützung auf den Weg durch Kinshasa, die Hauptstadt der DR Kongo. Doch führt die Armut der einen, so wie der Reichtum der anderen zur Entsolidarisierung der Gesellschaft, in der jeder für sich alleine kämpfen muss.
Jong Lee lebt zusammen mit anderen illegalen Wanderarbeitern in einem Bunker in Beijing. Er verdient etwas, indem er zum Abriss bestimmte Häuser entleert und deren Inhalt verkauft. Als er bei einem Arbeitsunfall kurzzeitig erblindet, kümmert sich eine Nachbarin um ihn und es entwickelt sich eine zarte Bindung. Der Film spielt vor der Kulisse der sich rasant entwickelnden Metropolen Chinas. Mit feiner Melancholie erzählt er von den Menschen, die dem wirtschaftlichen Wachstum und Umbau der Gesellschaft geopfert werden, und ihrem Schicksal und gibt den Blick auf unerfüllte Sehnsüchte und Träume frei („Der Duft der Sehnsucht“ von Pengfei).
Die rücksichtslose Ausbeutung der Kohlevorkommen im Norden Kolumbiens durch internationale Konzerne führt dazu, dass die Wayúu-Gemeinschaft von ihrem Land vertrieben und in eine neue Siedlung, die die Errungenschaften westlichen Lebens verkörpern soll, gebracht werden. Für die Menschen jedoch hat das nichts mehr mit dem Guten Leben zu tun, das für sie in Einklang mit ihrer natürlichen Umgebung steht („La Buena Vida – Das gute Leben“ von Jens Schanze).
Soziale Ungleichheit ist Motor für die Bewegung Ekta Parishad, die mit etwa 12.000 freiwilligen Aktivistinnen und Aktivisten ungefähr 80 Millionen der ärmsten Menschen in Indien erreicht. Durch ihre Arbeit bestärken sie diese darin, ihre Rechte wahrzunehmen und sich gegen Enteignung, Vertreibung und Unterdrückung zur Wehr zu setzen. Hunderttausende von ihnen haben sich 2012 auf den Weg nach Delhi gemacht, um die Regierung auf ihre Situation aufmerksam zu machen und nicht länger zu schweigen. Der eindrückliche Film „Millions can Walk. Jan Satyagraha – Marsch der Gerechtigkeit“ von Christoph Schaub und Kamal Musale geht auf Beweggründe und Motivation der Beteiligten ein, sich in der Bewegung zu engagieren, die bis heute aktiv ist.
Auch Fluchtgeschichten spiegeln Fragen von sozialer Gerechtigkeit. Was suchen Yves aus Kamerun und die Brüder Alafi und Souley aus dem Senegal, wenn sie sich auf den gefährlichen Weg nach Europa machen? Die beiden Dokumentarfilme „Yves‘ Versprechen“ von Melanie Gärtner und „Life-Saaraba-Illegal“ von Peter Heller begleiten ihre Protagonisten auf ihrem Weg und gehen ihren individuellen Beweggründen nach, die gleichzeitig stellvertretend für die Erfahrungen vieler junger Männer und deren Familien stehen.
Titelbild aus: „Life-Saaraba-Illegal“ von Peter Heller