Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)

Laut dem Bericht der Vereinten Nationen, der die globalen Bemühungen zum Erreichen der SDGs misst und im Juni in New York vorgestellt wurde, hat COVID-19 das Leben und die Lebensgrundlagen der Menschen stark beeinträchtigt. Während die Fortschritte, so heißt es dort, für das Erreichen der SDGs schon vor der Pandemie nur langsam vorankamen, wurden im Jahr 2020 zusätzlich 119 – 124 Millionen Menschen in die Armut zurückgedrängt. Ein Äquivalent von 255 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen ging verloren. Die Zahl der Menschen, die bereits vor der Pandemie an Hunger litten, könnte sich um 83 – 132 Millionen erhöht haben. Die Bemühungen zur Bewältigung der Pandemie, so heißt es weiter, hätten aber auch gezeigt, dass Gemeinschaften widerstandsfähig seien, Regierungen entschlossen handeln, soziale Absicherung schnell ausgebaut, digitale Transformation beschleunigt und in einer einzigartigen Zusammenarbeit lebensrettende Impfstoffe und Behandlungen in Rekordzeit entwickelt werden könnten. Laut dem Bericht seien dies solide Grundlagen, auf denen aufbauend Fortschritte bei den SDGs erreicht werden könnten.
Es setzt Einsicht, Kenntnis und Mut voraus, gegebene Umstände, die den globalen Nachhaltigkeitszielen entgegenlaufen, nicht hinzunehmen, sondern sie zu erkennen und zu verändern. Und so bieten Filme, die intellektuelller und emotionaler Ebene Wirkung entfalten zu ganz unterschiedlichen Themen Anregungen zur Auseinandersetzung und befördern den Perspektivenwechsel, der unerprobte Gedanken hervorbringen kann.

„Die Geister, die ich rief“, so der Titel des 60-minütigen Dokumentarfilms von Chiara Sambuchi (Deutschland, Italien 2019), zeigt anhand von drei Beispielen aus Brasilien, Italien und Deutschland die Folgewirkungen von Globalisierung und Ungleichgewicht des erdumspannenden industriellen Produktionsmodells von Stahl. Durch die größte Eisenerzmine im Norden Brasiliens werden Kleinbauern wie Pixinga ohne rechtliche Grundlage von ihrem Land vertrieben. In Tarent im süditalienischen Apulien wird bis heute Stahl in großem Stil verarbeitet. Vor allem Kinder sind die Leidtragenden der dioxinverseuchten Luft, wie Kinderärztin Grazia vermittelt. Der Landschaftspark Duisburg im nordrhein-westfälischen Ruhrgebiet, dem einstigen Zentrum der europäischen Stahlproduktion, ist heute Naherholungsgebiet und ökologischer Schutzraum für bedrohte Arten, wie Parkmanager Egbert erklärt. Chiara Sambuchi zeigt, welche Folgen die industrielle Entwicklung nach sich zieht. Unbarmherzig fordert die kapitalistische Logik der Konzerne in Brasilien und Italien ihren Tribut. Der Landschaftspark Duisburg scheint hingegen wie aus der Zeit gefallen. Da ist kein Konzern mehr am Werk, sondern die öffentliche Hand sorgt für die dringend benötigte Erholung. Welche Wege bis dahin zurückgelegt werden müssen und wie viel an demokratischer Mitsprache erforderlich ist, regt zum Nachdenken an und zum Gedankenexperiment eigene Entwürfe für eine bessere globale Vernetzung zu ersinnen.

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Auch in dem Dokumentarfilm „Kein Gold für Kalsaka“ von Michel K. Zongo (Burkina Faso, Deutschland 2019, 79 Min.) setzt die katastrophalen Umweltschäden durch industriell betriebenen Rohstoffabbau ins Bild. Und er thematisiert die Folgen für die Bevölkerung, wenn demokratische Entscheidungsprozesse fehlen und die Belange der Menschen vor Ort außer Acht bleiben. Michel Zongo findet hierfür großartige Bilder in der Stadt Kalsaka, an der jeder versprochene Fortschritt vorbeigegangen ist, und den Frauen, die trotz des Verbots weiterhin in den verseuchten Ufern auf herkömmliche Art kleine Mengen Gold schürfen. Durchsetzt hat er diese Erzählung mit inszenierten Westernszenen, die die Goldgräberstimmung und Profitgier einer längst vergangen geglaubten Epoche sichtbar machen. Die Wertschätzung von demokratischer Teilhabe und die Verteidigung dieser Werte im Alltag jedes und jeder Einzelnen egal wo kann anhand dieses Filmes erörtert werden, als Grundlage für die Durchsetzung der SDGs auf regionaler und globaler Ebene.

Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde vielfach über die gerechte Verteilung von Impfstoffen und Patentierung von lebenswichtigen Medikamenten debattiert und gestritten. In ihrem Dokumentarfilm „Das Fieber – der Kampf gegen Malaria“ (Österreich, Deutschland, Schweiz 2019, 99 Min.) wendet sich Regisseurin Katharina Weingartner entschieden gegen die Vorgehensweise der internationalen Pharmaindustrie, die Wirkung von Inhaltsstoffen regionaler Pflanzen zu patentieren und dem allgemeinen Nutzen zu entziehen. Malaria ist die Krankheit, die weltweit die meisten Todesopfer fordert. Ostafrikanische ForscherInnen hatten bei der Bekämpfung von Malaria mit dem heimischen einjährigen Beifuss vielversprechende Erfahrungen gesammelt, vor allem auch deshalb, weil er allen Betroffenen einfach zur Verfügung gestellt werden kann und der Umgang mit den pflanzlichen Wirkstoffen leicht zu vermitteln ist. Die Widerstände der Pharmaindustrie und den Regierungen der von Malaria stark betroffenen Ländern verhindert, so die Forscherinnen und Forscher, die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen Lösung.

Den Kampf gegen die Pharmaindustrie wurde schon bei einer anderen Pandemie ausgefochten: Die Gefahren von Aids sind nur deshalb schneller aus dem Bewusstsein verschwunden, weil diese Krankheit nicht die westliche Mehrheitsgesellschaft betroffen hat. Afrikanische Ländern aber waren wiederum grundsätzlich betroffen. Zackie Achmat, der in dem Film „Mein Leben“ aus der Reihe „Steps for the Future“ in seinem Kampf gegen Aids portraitiert wird, kann als Beispiel für das Ringen um demokratischen Zugang zu Gesundheitsfürsorge gesehen werden. Der früherer Anti-Apartheidskämpfer, lebt in Kapstadt, ist homosexuell und HIV-infiziert. Er verweigerte die Einnahme von antiviralen Medikamenten, bevor sie nicht für alle frei erhältlich sind, und setzt damit sein Leben aufs Spiel. Doch schließlich gewinnt er vor Gericht gewinnt den Kampf gegen die Pharmaindustrie und setzt ein Zeichen für entschlossenes Handeln.

Mit der Patentierung lokaler Pflanzenwirkstoffe durch internationale Konzerne befasst sich auch Rehad Desai in seinem Film „Das Geheimnis der Buschleute“ (Südafrika, Australien, Deutschland 2006, 63 Min.), in dem der in der Kalahari heimische Hoodia-Kaktus im Mittelpunkt steht. Er spielt in der traditionellen Medizin der Buschleute eine zentrale Rolle, soll aber der lokalen Nutzung durch Patente entzogen werden. Für die Khomani San gestaltet sich der Kampf für ihre Rechte mehr als schwierig. Um Zustimmung wurden sie nie gefragt. Und es war noch dazu ein halbstaatliches südafrikanisches Forschungsinstitut, das den Appetit- hemmenden Wirkstoff der Hoodia-Pflanze patentieren ließ und mit der Vermarktung begann. Nur durch den Druck der internationalen Zivilgesellschaft wurden die San letztlich an den Lizenzeinnahmen beteiligt. Ein legales Mittel zur Durchsetzung ihrer Rechte hatten sie trotz des internationalen Abkommens über Biodiversität, das 1992 in Rio de Janeiro beschlossen wurde, nicht. Auf dem Weg zu einem weitreichenden Schutz biologischer Vielfalt und der Verhinderung von Biopiraterie ist noch vieles zu tun.