Kinderrechte

Welttag gegen Kinderarbeit (SDG 1, 2, 4, 8)

Der 12. Juni ist der Welttag gegen Kinderarbeit. Weltweit ist die Zahl der arbeitenden Kinder auf 160 Millionen gestiegen – das ist eine Zunahme um 8,4 Millionen Kinder in den letzten vier Jahren. Millionen weitere Mädchen und Jungen sind zudem durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gefährdet, arbeiten zu müssen, so ein neuer Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF. Selbst in Regionen, in denen es seit 2016 einige Fortschritte gab, wie in Asien und der Pazifik-Region sowie in Lateinamerika und der Karibik, sind diese durch COVID-19 gefährdet.

Der Bericht aus dem Jahr 2021 warnt davor, dass bis Ende 2022 weltweit neun Millionen zusätzliche Kinder durch die Pandemie in Kinderarbeit gedrängt werden können. Diese Zahl könnte auf 46 Millionen ansteigen, so heißt es dort, wenn gefährdete Kinder keinen Zugang zu angemessenen sozialen Basisschutzmaßnahmen haben.

Ein halbes Jahr nach dem Machtwechsel in Afghanistan zwingt die Wirtschaftskrise rund eine Million Kinder im Land zur Arbeit, weil ihre Familien in Armut und Schulden versinken – und die Zahlen drohen weiter zu steigen. Das geht aus einer Befragung von Save the Children hervor. Knapp ein Fünftel der Familien hat demnach keine andere Wahl, als ihre Kinder zur Arbeit zu schicken.

Vom 5.-10.05.2022 findet im südafrikanischen Durban die 5. Internationale Konferenz zur Abschaffung von Kinderarbeit statt. Die Zeit drängt, denn es bleiben nur drei Jahre um, wie es im Ziel 8.7 formuliert ist, jeder Form von Kinderarbeit ein Ende zu setzen. Bis 2030 sollen darüber hinaus alle Formen von Zwangsarbeit abgeschafft werden. Dies hat nicht zuletzt unter dem Druck zu geschehen, den die COVID-19 Pandemie weltweit hinsichtlich sozialer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Entwicklung erzeugt hat. Und gerade deshalb werden hohe Erwartungen in die Konferenz gesetzt, um die regionalen Erfahrungen vieler verschiedener Akteure zusammenzubinden und für eine zügige Umsetzung in den unterschiedlichen Bereichen zu sorgen. Die Voraussetzungen sind schwierig und umso wichtiger ist es, die vielen kleinen Erfolge und positiven Beispiele aufzugreifen, nicht zuletzt um zuversichtlich zu fördern und zu unterstützen.

In dem Film „Morgen gehört uns“ von Gilles de Maistre (Frankreich 2019, 84 Min.) beweisen sieben Kindern aus verschiedenen Ländern der Welt, dass sie nicht Opfer sondern Handelnde in den schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Situationen, denen sie ausgesetzt sind, sein können. In Bolivien haben Kinder, die aus Armut arbeiten müssen, eine Gewerkschaft gegründet, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt. José Adolfo aus Peru hat bereits mit sieben Jahren eine Umweltbank gegründet. Dort können Kinder recyclingfähigen Müll in Geld tauschen. Das dient der Umwelt und hilft den Kindern aus armen Familien. Heute hat die Bank des mittlerweile 13-jährigen mehr als 3.000 Mitglieder zwischen zehn und achtzehn Jahren. Der junge Peruaner führt als Erzähler durch den Film, in dem Kinder zu Wort kommen, die für Veränderungen eintreten. Peter, Kevin und Jocelyn aus Bolivien zum Beispiel. Der 13-jährige Peter arbeitet in einer Mine, seit er elf Jahre alt ist, Kevin hilft als Näher seiner Mutter und Jocelyn verdient ihr Geld als Straßenverkäuferin. Für alle drei beginnt nach dem Ende ihres Arbeitstages noch der Schultag. Doch das hält sie nicht davon ab, in der Kindergewerkschaft um ihr und das Recht der anderen Kinder auf menschenwürdige Arbeit und Schulbildung zu kämpfen.

Der elfjährige Kai zieht mit seiner Mutter in eine neue Wohngegend in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Kais größter Wunsch ist es, in die Schule zu gehen. Doch seiner Mutter und ihm reicht das Geld gerade so zum täglichen Leben. Um das Schulgeld zu verdienen, verkauft Kai Essen in den Straßen des Viertels. Als er per Zufall eine Gruppe junger Männer kennen lernt gerät er unwillentlich in Schwierigkeiten, doch es gelingt ihm mit Einfallsreichtum und Unterstützung einen Ausweg zu finden und seinem Wunsch ein bisschen näher zu kommen. Der junge ugandische Filmemacher Robert Nyanzi hat in seinem Erstlingsfilm „Der kleine Händler – Kai, the Vendor“ (Uganda 2016, 17 Min.) ein knappes Lehrstück geschaffen, das mit Musik und Liedern und in einer für uns ungewöhnlichen filmischen Form auf die schwierige Situation von arbeitenden Kindern verweist, aber auch Lösungen anbietet. Dass der Film die ZuschauerInnen irritiert, bietet eine große Chance, den Blick auf das Filmische zu öffnen und etwas anderes, als das Bekannte wahrzunehmen. In diesem Sinne fordert uns der Kurzspielfilm dazu auf, die inhaltlich-thematische nicht ohne die filmisch-technische Ebene des Films und beide in Bezug auf ihre jeweiligen Kontexte zu betrachten. Dies wird in der Arbeitshilfe zum Film gut ausgeführt und eröffnet einen weiteren interessanten Zugang zum Thema.

Urmila ist sechs Jahre alt, als sie von ihren Eltern als Kamalari an eine Familie in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals verkauft wird, wo sie unter sklavenartigen Bedingungen arbeiten muss. Erst zwölf Jahre später gelingt ihre Befreiung. Doch mit der eigenen Freiheit gibt sich Urmila nicht zufrieden. In der Organisation „Freed Kamalari Development Forum“ (FKDF) kämpft sie gegen das offiziell abgeschaffte System der Leibeigenschaft und somit gegen jahrhundertealte Gesellschaftsstrukturen in ihrer Heimat, das Mädchen in Unfreiheit und Unwissenheit hält. „Kinder gehen zur Schule! Erwachsene gehen arbeiten!“ Neben ihrem Einsatz für die Befreiung von Mädchen kämpft sie um ihren Schulabschluss, denn sie will Anwältin werden, um sich effektiver für Menschenrechte einsetzen zu können. Filmemacherin Susan Gluth begleitet in ihrem Film „Urmila – für die Freiheit“ (Deutschland, Nepal 2015, 83 Min.) die junge Frau auf ihrem mutigen und schwierigen Weg.

„Einmal im Leben ins Kino“, so der Titel des Kurzspielfilms von Alice Schmid (Schweiz 1999, 26 Min.), denn das ist der Wunsch des siebenjährigen Triwehni und seines Freundes Mohan, als sie sich verlocken lassen, das Dorf zu verlassen, um in einer weit entfernten Teppichfabrik im Norden Indiens zu arbeiten. Doch statt des versprochenen Kinobesuchs erwartet sie harte Arbeit, die sie zusammen mit anderen Kindern verrichten müssen. Nach gründlichen Recherchen in der indischen Teppichproduktion hat Alice Schmid einige dieser Kinderschicksale mit den betroffenen Kindern als Dokudrama inszeniert. Geholfen hat ihr dabei die indische Hilfsorganisation South Asian Coalition on Child Servitude (SACCS), die sich zunächst um die Befreiung von Kindern und dann um ihre Ausbildung bemüht. Dass Kaylash Satyarti, Gründer der Organisation, 2014 für sein Engagement für die Kinderrechte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist die Würdigung seiner Arbeit, aber auch Aufforderung, die vielen Initiativen für Kinder- und Menschenrechte bekannt zu machen und zu fördern.

Auch der Kurzspielfilm „Kavi“ von Gregg Helvey (2009, 19 Min.) greift die Rettungsaktion einer NGO auf, um Menschen, die unter sklavenartigen Bedingungen arbeiten, zu befreien. Dabei ist der zehnjährige Kavi zusammen mit seinen Eltern in Schuldknechtschaft in einer Ziegelfabrik geraten. Als die Aktivitäten der Organisation auffliegen, werden die Erwachsenen auf Bussen fortgebracht. Kavi wird an eine Eisenkette gefesselt, um nicht entdeckt zu werden. Doch er kann sich befreien und gegen den Willen des Fabrikbesitzers Hilfe in Anspruch nehmen. Der kurze Film bietet viele Möglichkeiten über Angst, Verzweiflung, aber auch Widerstand und Stärke in Kavis Verhalten nachzudenken. Auch die Rolle der NGO bietet gute Möglichkeiten zu überlegen, welche Hilfe von außen kommen kann und wann diese einsetzt.

„Angelus Novus – Reise ins Ungewisse“, so der Titel des Kurzspielfilms des afghanischen Regisseurs Aboozar Amin (Niederlande, Großbritannien, Afghanistan 2015, 25 Min.) Um das Einkommen seiner Familie, die vor kurzem erst auf der Flucht aus Afghanistan in der Türkei angekommen ist, ein bisschen aufzubessern, arbeitet der neunjährige Ali zusammen mit seinem kleinen Bruder nach der Schule als Schuhputzer vor einem Teehaus. Als der Platz eines Tages von einem anderen Jungen besetzt ist, wehren sie sich erbittert gegen ihren Konkurrenten. Am nächsten Morgen wird das Opfer ihres Angriffs in Alis Klasse als Flüchtling aus Syrien vorgestellt. Dabei nimmt ihn der Direktor der mit der gleichen Offenheit in der Schule auf, mit der er auch Ali begrüßt hat. Das Erkennen im Blick von Ali im letzten Bild des Films eröffnet gute Möglichkeiten, um ins Gespräch über die Ängste und Nöte der Kinder, ihre Pflichten innerhalb der Familie, aber auch den Wunsch nach Freundschaft und Geborgenheit zu kommen.

Sohel ist 14 Jahre und nachdem sein Vater die Familie verlassen hat, für seine Mutter und seine fünf Schwestern zuständig. Regisseur Shaheen Dill-Riaz begleitet in seinem Film „Der Netzwerker“ (Deutschland 2011, 29 Min.) den Jungen durch Dhaka, die Hauptstadt Bangladeschs und auf die etwa 150 km weit entfernten Schwemmlandinseln, wo der geschäftstüchtige Junge seine Telefondienste anbietet, um den Menschen dort die Möglichkeit zu geben, mit Verwandten in der Stadt in Kontakt zu bleiben. Doch die Geschäfte bringen nicht viel ein. Trotz seines Engagaments eröffnet sich ihm keine Chance, einen Beruf zu erlernen.

„Marlen, la cartonera“, der kurze Dokumentarfilm der argentinischen Filmemacherin Maria Goinda (Deutschland 2010, 28 Min.) begleitet die Achtjährige bei ihrem alltäglichen Gang in die Stadt, um vom frühen Morgen, bis oftmals spät in die Nacht Müll zu sammeln, von dessen Verkauf die Familie lebt. Das Mädchen mit ihren älteren Geschwistern zusammen mit denen sie den Vorortzug nimmt, um die lange und nicht ungefährliche Fahrt in die Stadt anzutreten. Auch andere Freunde begleiten sie, in der Gruppe fühlen sie sich sicher, manchmal gibt es kleine Späße und gemeinsame Pausen. Es ist ein harter Alltag ohne Illusionen. Was die Kinder und Jugendlichen dennoch zuversichtlich macht, darüber lohnt es sich im anschließenden Filmgespräch nachzudenken und die Hinweise, die der Film bietet, genau zu betrachten.

„Die kleine Verkäuferin der Sonne“, der Kurzspielfilm des senegalesischen Regisseurs Djibril Diop Mambéty (Senegal, Schweiz, Frankreich 1999, 45 Min.), bietet in vielerlei Hinsicht Möglichkeiten über Mädchen und Jungen auf der Straße, arbeitende Kinder, Straßenkinder und die Kunst afrikanischen Filmschaffens nachzudenken. Sili, zwischen zehn und 13 Jahren alt, ist behindert und kann sich nur mit Krücken fortbewegen. Schon länger beobachtet sie die Zeitungsverkäufer, eine Arbeit, die den Jungen vorbehalten zu sein scheint. Doch eines Morgens wird das Mädchen so heftig von den Jungen angerempelt, dass sie hinfällt. Nur schwer kann sie sich aufrichten und ist sehr verärgert. Daraufhin nimmt sie sich fest vor, ab dem nächsten Tag wie alle anderen auch Zeitungen zu verkaufen. Was für Männer gilt, gilt auch für Frauen. Sili lernt die erbarmungslose Welt der kleinen Zeitungsverkäufer kennen und durchlebt schmerzhafte Augenblicke. Aber sie gewinnt auch einen Freund und lernt sich durchzusetzen. Djibril Diop Mambéty selbst gibt die schönste Beschreibung seines wunderbaren und berührenden Films: „‘Die kleine Verkäuferin‘ ist der zweite Teil einer Trilogie, mit der ich dem Mut der Straßenkinder die nötige Anerkennung zollen möchte. Die Liebe der Kinder ermutigt mich, den Alten und Korrupten und jenen zu trotzen, deren Reichtum ihre eigene Seele nicht berührt… Kinder sind wunderbare Wesen. Nach diesem Film könnte ich keine Kindergeschichte mehr erzählen. Der Film hat alles von mir.“

Titelfoto aus dem Film: Die kleine Verkäuferin der Sonne von Djibril Diop Mambéty