Interreligiöse Bildung

imampastorInterreligiöse Bildung sollte zur Wertschätzung verschiedener religiöser und kulturell geprägter Weltbilder führen und diese reflektieren. Wenn tatsächlich viele Konflikte auf religiösen oder weltanschaulichen Gegensätzen beruhen, dann gewinnt interreligiöse Verständigung als Dialog zunehmende Bedeutung. Hierbei sollte die Reflexion von Vorurteilen, die Herausarbeitung verbindender Elemente und die Wahrnehmung von möglichen Differenzen im Vordergrund stehen.

Der Film „Der Imam und der Pastor“ von Alan Channer greift dieses Thema exemplarisch auf. Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen sind in vielen afrikanischen Ländern bis heute virulent. Oft enden sie gewalttätig, wie in Kaduna, im nördlichen Nigeria in den 1990er Jahren. Der Film geht der außergewöhnlichen Geschichte zweier mutiger Protagonisten nach. Imam Muhammad Ashafa und Pastor James Movel Wuye gehörten zu zwei verfeindeten Milizen. Imam Ashafa musste die Ermordung seiner nahen Angehörigen durch christliche Milizen erleben. Pastor Wuye verlor eine Hand, als Muslime versuchten, ihn zu ermorden. Als Führer ihrer jeweiligen Milizen betrachteten sie sich als Feinde. Es gelang ihnen jedoch, Misstrauen, Hass, Ängste und Verletzungen, aber auch die Verschiedenheiten von kulturellen Werten und religiöser Prägung zu überwinden und zu gemeinsamen Positionen zu finden. Gemeinsam bauten sie ein Mediationszentrum auf, dessen Dienste in der ganzen Region in Anspruch genommen wurden.

hiyabFür Schülerinnen und Schüler bietet der kurze Film „Hiyab – Das Kopftuch“ von Xavi Sala einen interessanten Einstieg, um sich über religiöse Vorstellungen und deren Ausdruck im öffentlichen Leben auseinanderzusetzen. Fatima ist Muslima und neu an der Schule. Ihre Lehrerin möchte unbedingt, dass sie Ihr Kopftuch abnimmt, bevor sie in die Klasse geht. Die beiden versuchen, einander mit Argumenten zu überzeugen, bis Fatima widerwillig ihre Kopfbedeckung abnimmt und in die Klasse geht. Dort stellt Fatima irritiert fest, dass viele SchülerInnen Kopfbedeckungen tragen. Mit einem fragenden und verständnislosen Blick Fatimas endet der Film. Der Film bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, um über die sehr unterschiedliche Bewertung von Kopftüchern, anderen Kopfbedeckungen bzw. Kleidung im Allgemeinen, aber auch über religiöse Werte, kulturelle Normen oder Fragen der individuellen und kollektiven Identität nachzudenken. (Der Film ist Teil der Kompilations-DVD „Bilder im Kopf“, die mit Materialien zur Vertiefung der Filme ergänzt ist).

dewenetiAuch der kurze Film „Deweneti – Irgendwo in Afrika“ von Dyana Gaye gibt auf unkonventionelle und amüsante Art Einblick in unterschiedliche Denkweisen und religiöse Symbole. Ousmane ein pfiffiger Junge, der auf den Straßen der senegalesischen Hauptstadt Dakar lebt, verdient seinen Lebensunterhalt und das Geld, das er braucht, um in die Koranschule zu gehen, indem er für die Wünsche anderer betet. Eines Tages kommt er auf die Idee, s es vielleicht gut sein könnte, die Wünsche an den Weihnachtsmann weiterzugeben. So engagiert er einen Schreiber, dem er den Wunschzettel seiner Klienten diktieren kann. Für sich selbst wünscht er sich nichts, doch als die ersten Schneeflocken über Dakar fallen, kann man sich vorstellen, was er sich erhofft hatte.

Die Geschichte der widersprüchlichen Folgen religiöser Annäherung erzählt der Film „Das koloniale Missverständnis“ von Jean-Marie Teno, der sich der Geschichte der rheinischen Mission und ihrer Arbeit im südlichen Afrika widmet. 1828 mit der hehren Absicht gegründet, die christliche Botschaft zu verbreiten, war die Rheinische Missionsgesellschaft schon nach kurzer Zeit aktiv in die koloniale Unterwerfung Afrikas verstrickt: In ihren Augen waren der Missionsgedanke und die Kolonialpolitik eng miteinander verbunden: „Die Flinte und die Bibel müssen hier miteinander wirken“. Tenos Film rekonstruiert die Wechselwirkungen zwischen christlichem ‚Ethos’, kaufmännisch-kolonialen Interessen und den traumatischen Erlebnissen der Missionierten, thematisiert aber auch die aktuelle Position der afrikanischen Kirchen und deren politisches Engagement.

Timbuktu.jpgEin ganz anderes Thema, nämlich die Folgen von Radikalisierung einer religiösen Gemeinschaft, greift der beeindruckende Film „Timbuktu“ von Abderrahman Sissako auf. Die Handlung des Films entfaltet sich vor dem Hintergrund des Eroberungsfeldzugs islamischer Fundamentalisten, die 2012 den Norden von Mali ihrer Herrschaft unterwarfen, und stellt die Familie von Kidane, die nicht weit entfernt von der Wüstenstadt Timbuktu lebt, die von Dschihadisten beherrscht und terrorisiert wird, in den Mittelpunkt. Die filmische Erzählweise thematisiert die Gewalt der Besatzer zunächst eher indirekt. Oft sind es scheinbare und unbedeutende kleine Ereignisse die verdeutlichen, wie die Gewalt langsam in den Alltag eindringt. Sissako setzt diesem Terror eine zutiefst menschliche Haltung entgegen. Er vermeidet es, das Idyll einer vor dem Konflikt harmonischen Gesellschaft zu zeichnen und stellt auch die Gruppe der Islamisten differenziert dar. Der Wille zur Selbstbehauptung der lokalen Bevölkerung wiederum zeigt sich als passiver Widerstand.

Die junge Muslima Anousheh lebt mit ihren streng muslimischen Eltern und zwei Brüdern in Karachi, der größten Industriestadt Pakistans. Der Film „Frag nicht, warum“ von Subiha Sumar porträtiert die Jugendliche auf der Suche nach der Verwirklichung ihrer persönlichen Freiheit. Mit ihrem Vater kann sie zwar über alles diskutieren, aber gegenüber der Tradition ist er zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Und Anousheh will sich mit vielem nicht abfinden, was die Tradition für die Frauen vorschreibt – denn immer seien es die Männer, „die alles interpretieren, den Koran, die Gesetze“ und vieles mehr. An religiösen Fragen ist sie durchaus interessiert, doch die Teilnahme am Koranunterricht in einer strenggläubigen Frauengruppe bringt sie schnell zur Erkenntnis, dass sie ein anderes, offeneres und liberaleres Verständnis des Islam hat. Sie weiß deshalb, dass sie viel Geduld und Beharrlichkeit brauchen wird, um ihren Weg gehen zu können.

ayeshaDie pakistanische Filmemacherin Sabiha Sumar hat mit ihrem Film „Ayeshas Schweigen – Silent Waters“ einen anderen religiösen Konflikt in einem Spielfilm umgesetzt. Im 70. Jahr nach der Teilung Indien/Pakistan hat dieser Film eine neue Aktualität gewonnen und wird im Frühling 2018 auch für die Bildungsarbeit zur Verfügung stehen. Als im Jahr 1979 über ganz Pakistan der Ausnahmezustand verhängt wird und islamistische Fundamentalisten im Dorf Station machen, wird auch das eingespielte Familienleben von Ayesha und ihrem Sohn Saleem gestört, der, überzeugt von der Kompromisslosigkeit und Überzeugung der Islamisten, immer weiter unter ihren Einfluss gerät Als Sikh-Pilger aus Indien das Dorf besuchen, droht der seit der Teilung des indischen Subkontinents schwelende religiöse Konflikt erneut aufzubrechen. Ayesha verfolgt die Ereignisse mit wachsender Sorge und wird durch die Nachforschungen eines der Pilger nach seiner 1947 von den Moslems verschleppten Schwester schmerzhaft an ihre eigene Vergangenheit erinnert. Damals verlangten die Familien von ihren Töchtern, sich in den Brunnen zu stürzten, um ihre Ehre zu retten. Ayesha widersetzte sich und wechselte sowohl Identität als auch Religion, um zu überleben.