Flucht und Asyl
Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht. Die Fluchtursachen sind vielfältig und niemand begibt sich freiwillig auf die schwierige, oft lebensbedrohliche Reise. Die Zahl derer, die bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben kamen, ist so hoch wie noch nie.
Mit einem robusten UNO-Mandat will die EU einen Militäreinsatz gegen die Schleuser auf dem Mittelmeer starten. Nach Informationen von Spiegel Online sind sogar Operationen in Libyen vorgesehen. Dies erinnert fatal an die Drohkulisse, die der englische Regisseur David Wheatly (1990, 95 Min.) vor 25 Jahren in seinem als Teil der Reihe „Eine Welt für alle“ gesendeten und heftig diskutierten Spielfilms Der Marsch zeichnete. Darin macht sich eine große Menschenmenge aus dem von Hunger und klimatischen Katastrophen geplagten Sudan auf den Weg nach Europa, um die reichen Länder mit ihrem Elend zu konfrontieren. Claire Fitzgerald von der Europäischen Kommission in Brüssel versucht, sich für diese Menschen zu engagieren, doch die schwerfällige Bürokratie kann sich zu keinen Hilfsmaßnahmen entschließen. Der Zug der Armen erhält in Nordafrika weiteren Zulauf und erreicht schließlich die Meerenge von Gibraltar. Auf der spanischen Seite stehen hochgerüstete militärische Einheiten … Dier Film, mittlerweile auch ein historisches Dokument, liegt in einigen Medienzentralen als VHS vor und man findet weitere Informationen im Internet.
Während uns die Zahlen von Flüchtenden und Asylsuchenden durch Nachrichten erreichen, bleiben die Lebensumstände, die zu solchen extremen Situationen führen, unbekannt oder seltsam verschwommen. Filme können ein Fenster öffnen zu diesem Fremden, indem sie ProtagonistInnen in den Mittelpunkt stellen, die uns an ihrem Leben in Krisensituationen teilhaben lassen oder Erfahrungen nachvollziehbar vermitteln.
Es gibt mittlerweile viele gute Filme zum Thema, die zum Teil auch ihren Weg ins Kino gefunden haben.
Der Film Willkommen auf Deutsch von Carsten Rau und Hauke Wendler (2014,90 Min.) zum Beispiel. Er beschreibt, wie eine Nachbarschaft – hier im Landkreis Harburg – auf den Zuzug von Asylbewerbern reagiert. Über einen Zeitraum von fast einem Jahr begleitet der Film Flüchtlinge und Anwohner, sowie den Bereichsleiter der überlasteten Landkreisverwaltung – stellvertretend für die 295 Landkreise bundesweit. So entsteht ein kontroverses und emotionales Bild, das aber auch zeigt, dass die Situation schwierig, aber nicht hoffnungslos ist. Kinotermine finden Sie unter www.willkommen-auf-deutsch.de
Einen guten Einstieg in das komplexe Thema von Flucht und Asyl bietet die kürzlich erschienene Kompilations-DVD Fremd ist der Fremde nur in der Fremde, auf der acht Filme zum Thema Migration zusammengestellt sind, jeder durch Hintergrundinformationen und Arbeitsmaterial für den Einsatz im Unterricht ergänzt. Der titelgebende Satz von Karl Valentin kann durchaus als ironischer Hinweis verstanden werden – darüber nachzudenken was Fremdheit eigentlich ausmacht und wie wir damit umgehen, wenn wir Fremde sind. Die Filme widmen sich unterschiedlichen Aspekten der Begegnung, des Konflikt, der Verständigung oder des Verstehens. So ist der Blinde Passagier (Zaire, Kongo 1996), der in dem gleichnamigen slapstickartigen Film des kongolesischen Filmemachers José Laplaine in einem Containerschiff Lissabon erreicht, mehr als erstaunt, dass er von einem schwarzen Polizisten gejagt wird – sitzen sie nicht eigentlich im gleichen Boot? Und die Giraffe in dem kurzen Animationsfilm Eine Giraffe im Regen von Pascal Hecqet (2007, 12 Min.), die von dem gierigen Löwenkönig ihrer Heimat ins Exil gejagt wird, wundert sich, wie unfreundlich sie im Land der Hunde aufgenommen wird, in dem sie schließlich landet. Spielerisch und humorvoll greift der schön gestaltete Animationsfilm eine ganze Reihe wichtiger Themen auf, die für Kinder, aber auch für Erwachsene bedeutend sind: Machtmissbrauch und Korruption, Rebellion und Anpassung, Flucht und Migration und das Leben in der Fremde.
Das Schicksal der 17-jährigen Choice (2011, 30 Min.) aus Nigeria steht im Mittelpunkt des gleichnamigen kurzen Dokumentarfilms von Maria Teresa Camoglio. Nachdem sie endlich in Italien angekommen ist muss sie feststellen, dass sie Opfer eines Menschhändlerrings ist, der sie zur Prostitution zwingt. Doch auch hier gelingt der starken jungen Frau die Flucht und sie findet in einer italienischen Menschenrechtorganisation Schutz und Aufnahme.
Der Film Amsterdam von Philippe Etienne (2011, 9 Min.) schildert die Begegnung des jungen Bruno mit einem illegalen gleichaltrigen Einwanderer, der in den Weinbergen seines Vaters als Erntehelfer arbeitet. Erst langsam wir ihm bewusst, unter welchem Druck sein neuer Kollege steht, dessen Leben ständig von Ausweisung bedroht ist.
Flucht bedeutet aber nicht nur den Kampf um Leben und Tod, sondern auch Zeiten des Wartens auf bessere Zeiten, bevor wieder ein Schritt auf der Reise in eine vermeintlich bessere Welt getan werden kann. In dem Film Im Land dazwischen (2012, 35 Min.), der ebenfalls Teil dieser Kompilations-DVD ist, portraitiert Melanie Gärtner drei Migranten, die sich auf den Weg nach Europa gemacht haben, aber nun in Ceuta, der spanischen Enklave an der nordafrikanischen Küste, festsitzen. Blade Cyrille kommt aus Kamerun, Sekou aus Mali und Babu aus Indien. Sie berichten sowohl vom bisherigen Verlauf ihrer jeweiligen Reise, als auch von ihren Erwartungen an die Zukunft.
Dieses Thema greift auch Miriam Fassbender in ihrem Film Fremd (2011, 93 Min.) auf, indem sie den von der Not diktierten Aufbruch eines jungen Maliers nach Europa zeigt. Seit zweieinhalb Jahren ist er unterwegs in eine Welt, in der er nie leben wollte. Der Film sucht die Beweggründe für diese Flucht und gewährt Einblick in die Lebensumstände und den zermürbenden Alltag von Migranten auf ihrem Weg vom subsaharischen Afrika über Algerien und Marokko nach Europa. Er zeigt ihr Leben, das geprägt ist von Hetze und Hoffnung, Flucht und Stillstand. Vom Leben als jahrelanger Reisender und vom Überleben in der Fremde. Informationen: www.peripherfilm.de
Auch Bettina Haasen schildert diese Wartezeit in ihrem Dokumentarfilm Hotel Sahara (2008, 85 min.), in dem sie sich den Menschen sensibel annähert. In einer kleinen Stadt an der mauretanischen Küste haben sich die Menschen in einem Provisorium eingerichtet, um sich das Warten auf die Weiterfahrt nach Spanien erträglich zu gestalten. Den Alltag der bereits viel weiter südlich so Gestrandeten beschreibt Idrissou Mora-Kpai in seinem Dokumentarfilm Arlit, ein zweites Paris (2005, 78 min.) Früher war die Stadt in der Wüste des Niger durch den Uranabbau reich geworden, heute ist sie manchmal der letzte Halt für Gestrandete auf dem Weg durch den afrikanischen Kontinent nach Norden.
Der senegalesische Filmemacher Moussa Touré hat die gefährliche Überfahrt auf einer Piroge von Senegal nach Spanien in einem Spielfilm verdichtet. Die Piroge (2012, 87 min.) ist Sammelpunkt für Gefühle, Beweggründe und Nöte, die Menschen veranlassen, alles hinter sich zu lassen und eine ungewisse Zukunft oder den möglichen Tod in Kauf zu nehmen. Der herausragende und mehrfach ausgezeichnete Film spielt zum größten Teil in der Enge des Schiffes, das nicht für die Hochseefahrt ausgestattet ist und in der die Menschen die schwierige Überfahrt überstehen müssen.
Warum vor allem junge Männer den Senegal verlassen, dafür bietet der Film Yaayboy von Peter Heller und Barney Rübe (2012, 25 min.) die notwendigen Hintergrundinformationen. Die Überfischung der Meere vor den afrikanischen Küsten – die Fangrechte wurden oftmals von den Regierungen der afrikanischen Länder an die EU verkauft – ermöglicht es jungen Männern nicht mehr, für sich und ihre Familien eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dieser Komplex, der auch an unsere Verantwortung als VerbraucherInnen appelliert, wird auch in der Dokumentation Alptraum im Fischerboot (2007, 60 min.) von Klaus Martens und Michael Grytz eindrucksvoll entwickelt.
Mit Heute bin ich Samba (2014, 119 Min.) hat das Thema Flucht/Asyl auch seinen Weg in den mainstream gefunden. Der Film von Éric Toledano und Olivier Nakache, die mit „Ziemlich beste Freunde“ einen Publikumserfolg hatten, widmet sich dem Schicksal des illegal in Frankreich lebenden Senegalesen Samba, dessen Traum, als Koch zu arbeiten und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, kurz vor der Erfüllung steht. Doch dann verweigern ihm die Behörden die ersehnten Papiere und er landet in Abschiebehaft, aus der ihm ausgerechnet die überforderte Managerin Alice helfen soll, die für eine Hilfsorganisation arbeitet. Mit Humor und dem Publikumsliebling Omar Sy in der Rolle des Samba, gelingt es, nicht nur zu unterhalten, sonder eine Vielzahl von Problemen der Illegalität mitschwingen zu lassen.
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