Kinderalltag in der Einen Welt
Die Nachrichten von Menschen, die weltweit auf der Flucht sind und einen neuen Ort suchen, an dem sie bleiben können – auch in Europa – haben nichts von ihrer Brisanz verloren. Und immer sind es Kinder, die unter den unsicheren Lebensumständen besonders leiden, die ihren Alltag prägen – die aber auch neue Umgebungen für sich zu gewinnen versuchen.
Dies sind auch die Erfahrungen des 13-jährigen Mohammed, der mit seinen Eltern aus Syrien in die Türkei geflohen ist. In dem Film „Mohammed auf der Flucht“ von Guido Holz und Eva-Maria Grewening (2014, 26 Min.) schildert er seine Erinnerungen an den Krieg und dem Leben im Mangel.
Bahar ist mit ihrem Vater aus Syrien nach Deutschland geflohen. In Frankfurt verlieren sie sich. Welchen Weg sie sich erschließt, um mit der Verunsicherung zurechtzukommen, das erzählt Behrooz Karamizade in seinem Kurzspielfilm „Bahar im Wunderland“ (2013, 17 Min.)
Ein anderer Krieg, ein anderes Flüchtlingslager. Die elfjährigen Freundinnen Fatima und Jasmin sind mit ihren Familien aus ihrer Heimat Darfur in den Tschad geflüchtet. Dort besuchen sie die Schule und sind froh, eine Freundin gefunden zu haben, mit der sie alles teilen können: Die Erinnerungen und die Sehnsucht nach Hause, die Schulaufgaben und den Spaß am Tanzen und Spielen. Susan Gluth beobachtet in ihrem Film „Mit den Augen eines Flüchtlingskindes (2005, 59 Min.) in langen Einstellungen den Alltag der beiden Mädchen an einem Ort im Ausnahmezustand.
Nima lebt in einem Flüchtlingsheim in Holland. Das aus Somalia stammende 13-jährige Mädchen wartet mit seiner Mutter darauf, als Flüchtling anerkannt zu werden und den Krieg, der sie in ihren Erinnerungen immer wieder einholt, endgültig hinter sich lassen zu können. Auch der Film von Annelies Kruk (2004, 17 Min.) stellt den Alltag eines Kindes mit Fluchterfahrung vor, die nichts an Aktualität verloren hat. (Der Film ist Teil der Kompilations-DVD „Anna, Amal, Anousheh – Mädchen zwischen Rollenmuster und Selbstbestimmung“).
Die kleine Amal hat den Krieg in Syrien nicht überlebt. Ihre Eltern und Geschwister gehören zu den ersten Kontingentflüchtlingen, die 2013 in Deutschland angekommen sind. In ihrem Film „Amal“ begleitet Caroline Reucker die Familie während ihrer ersten Zeit in Deutschland. Die beiden Jungen, die mit zum Teil schweren Verletzungen aus Syrien ankamen, erhalten medizinische Versorgung. Die Mutter leidet – unter dem Tod ihrer kleinen Tochter und der Abwesenheit der Familie. Die beiden älteren Mädchen gehen zur Schule. Langsam lernen sie etwas Deutsch. Und sie lernen Fahrrad zu fahren und beginnen, ihre neue Umgebung zu erkunden.
Es gibt viele sehr beeindruckende Filme, die aus der Sicht von Kindern über das Leben in der Einen Welt erzählen. „Ephraim und das Lamm“ von Yared Zeleke (2015, 91 Min.) ist ein solch beeindruckendes Beispiel. Nachdem seine Mutter gestorben ist, bringt sein Vater den Jungen zu Verwandten im grüneren Teil Äthiopiens, um selbst in der Hauptstadt Addis Abeba Arbeit zu suchen. Ephraim, ganz auf sich gestellt, richtet seine ganze Liebe auf das Lamm, das er von seiner Mutter bekommen hat. In einer Umgebung, die geprägt ist von Mangel, aber auch den Treffen der Nachbarn und der religiösen Toleranz, lernt Ephraim langsam, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich in seine neue Familie anzupassen.
Ganz anders geht es dem vorwitzigen Chala, der in dem Film „Conducta – wir werden sein wie Che“ (Ernesto Daranas, 2014, 108 Min.) ständig davon bedroht ist, von der Schule zu fliegen. Seine alte Lehrerin aber weiß, dass er sich um seine drogenabhängige Mutter kümmern muss und dafür verschiedene Jobs übernimmt – auch die Pflege von Kampfhunden für die verbotenen Hundekämpfe. Und sie weiß, dass die hehren sozialistischen Erziehungsideale für Kinder nicht immer die passenden sind.
Dass Mädchen in ihrem Alltag ganz besondere Probleme zu meistern haben, davon berichten die acht Filme der Kompilations-DVD „Anna, Amal und Anousheh – Mädchen zwischen Rollenmustern und Selbstbestimmung“. Amal, die im ländlichen Marokko aufwächst, muss die Schule verlassen, weil ihr Bruder bevorzugt zur Schule geschickt werden soll und das Geld nicht für alle reicht. Ihr sehnlicher Wunsch, Ärztin zu werden, wird sich nicht erfüllen. Die 17-jährige Anousheh, die mit ihrer streng religiösen Familie in der pakistanischen Metropole Karachi lebt, stellt sich ganz andere Fragen. Warum dürfen Jungen mehr als Mädchen, warum darf sie nicht machen und lernen was sie will? „Frag nicht warum“, so der Titel des Films von Sabiha Sumar (1999, 30 Min.) und häufig die Antwort des Vaters auf die kämpferischen Fragen des Mädchens.
Einen Klassiker aus dem Bereich der Kindergeschichten aus Afrika hat Djibril Dop Mambéty mit der „Kleinen Verkäuferin der Sonne“ vorgelegt (1999, 45 Min.). Sili ist durch die Folgen der Kinderlähmung behindert, sie hat sich jedoch fest vorgenommen, ihr Geld, so wie Jungen in ihrer Umgebung auch, mit dem Verkauf der Zeitung „Le Soleil“ zu verdienen. Und so muss sie erfahren, als Mädchen ausgegrenzt und verspottet zu werden. Sie erfährt aber auch Hochachtung für ihre Kraft und lernt Freundschaft in der Not kennen. Dem Altmeister des afrikanischen Films ist nicht nur die Beschreibung eines verletzlichen Kindes in der rohen Welt der Straßen Dakars gelungen, sondern auch eine Hymne auf den Mut der Straßenkinder, die allen Widerständen zum Trotz ihren Weg gehen.
Der Film ist Teil der Kompilations-DVD „KinderWelt-WeltKinder“, die acht Filme zum Thema Kinderalltag in der Einen Welt enthält. Sie sei hier ebenso empfohlen wie zwei andere Kompilations-DVDs: „Kinder dieser Welt erzählen“ und „Die Straße gehört uns“. Alle drei sind mit zusätzlichen Informationen und Vorschlägen für den Unterricht auf der ROM-Ebene ergänzt.
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