Flucht, Migration, Integration
Saaraba – das gelobte Land, so wird in vielen afrikanischen Ländern Europa genannt mit seinen Verheißungen und Möglichkeiten. Über fast ein Jahrzehnt begleitet die Kamera Aladji und Souley, zwei Brüder von der kleinen Fischerinsel Niandior im Atlantik vor der Küste Senegals. Der Ältere, Aladji, schaffte es vor zehn Jahren als Bootsflüchtling nach langer Odyssee bis in die Gemüseplantagen Spaniens, wo er als Illegaler zehn Jahre verbrachte. Der jüngere Bruder Souley träumte dennoch weiter von Europa und machte sich schließlich auf den Weg zu seinem Bruder. Sein Cousin und Coautor des Films Saliou Sarr, der in seiner Heimat als „Alibeta“ ein bekannter Musiker und Griot ist, folgt ihm den ganzen Fluchtweg von 3.000 Kilometern bis in den Norden Marokkos und will ihn zur Umkehr bewegen. Im Zentrum der filmischen Chronik stehen die Träume und Ziele, Erfahrungen und Schäden, die die beiden Brüder auf ihrem Weg in den verheißenen Kontinent Europa erfahren haben. Doch Regisseur Peter Heller erzählt bei weitem mehr als eine Flüchtlingsgeschichte. Der Vater der Brüder hat selbst als Gastarbeiter in der französischen Autoindustrie gearbeitet, eine Zeit, die er als wichtige für seine Entwicklung beschreibt und aus der er eine kleine Rente erhält. Saliou, dem Cousin, standen als Sohn eines erfolgreichen Militärs Bildungschancen und ein Studium im Ausland selbstverständlich offen. Für viele junge Männer hat die Reise nach Europa den Status eines Initiationsritus angenommen. Die Erfahrungen in der Fremde führen zum Ansehen zu Hause, wohin man zurück will und nach dem man sich sehnt. Aber es geht auch um die Hilfe, die die Migranten mit ihren bescheidenen Geldüberweisungen auf der kleinen Atlantikinsel leisten. Doch sind die Wege der Brüder illegal, ihre Hoffnungen und Träume wurden immer wieder enttäuscht. Eine Heimkehr als reicher und angesehener Mann ist erhofft – doch unwahrscheinlich. Doch die Eltern der beiden sind der Stolz auf die Ernte ihrer Flucht – die Söhne wurden zu privaten „Entwicklungshelfern“. Der Film, der derzeit noch in einigen Kinos zu sehen ist, steht unter dem Titel „Life – Saaraba – Illegal“ (Peter Heller, Saliou Saar, Bernhard Rübe, Deutschland 2016, 90 Min.) demnächst in den Evangelischen Medienzentralen zur Ausleihe für die Bildungsarbeit zur Verfügung.
Auch zwei andere Filme, die sich vor allem an ein jugendliches Publikum richten stehen dort zur Verfügung. Es sind zwei Kurzspielfilme, die durch ihr Format besonders geeignet sind, ein Gespräch zu eröffnen und auf Hintergründe aufmerksam zu machen. „Angelus Novus – Reise ins Ungewisse“ Aboozar Amini, Niederlande, Großbritannien, Afghanistan 2015, 25 Min. OmU) erzählt von der Ankunft einer Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan in der Türkei. Die beiden Brüder verdienen als Schuhputzer etwas Geld, das für Miete und Weiterreise zurückgelegt wird. Als eines Tages ein Junge ihren Platz auf dem Markt besetzen will, wehren sie sich verbissen. Doch als am nächsten Tag dieser Junge als neues Flüchtlingskind aus Syrien in der Klasse, in der er selbst gerade aufgenommen wurde, muss Ali erkennen, wie ähnlich ihr Schicksal ist. Der kurze Dokumentarfilm „Mohammed auf der Flucht“ (Guido Holz, Eva-Maria Grewening, Deutschland, 20114, 25 Min.) begleitet den Jungen Mohammed aus Syrien durch seinen Alltag in einem Flüchtlingslager in der Türkei. Er erzählt, obwohl nun in Sicherheit von seinen Ängsten und den Bildern der Zerstörung, die ihn begleiten. Es könnte interessant sein, diese kurze dokumentarische Erzählung zusammen mit der fiktionalen Verdichtung von „Angelus Novus“ anzuschauen.
Der Protagonist des Kurzspielfilms „In Our Country“ (Louisa Wagener, Deutschland, Spanien 20116, 25 Min.) ist der afghanische Flüchtling Theklebhran. Nach langer Flucht in einem Bayrischen Dorf angekommen, versucht er den Traum seines Bruders, der auf der Flucht unter seinen Augen ums Leben gekommen ist, ein großer Fußballer zu werden, zu verwirklichen. Im örtlichen Fußballverein schlägt er sich mehr recht als schlecht und er muss lernen, seine Träume den realen Chancen in seiner Lage anzupassen. Auch hier ist die kurze Geschichte komplex aufgebaut und lädt zum Gespräch über Konkurrenz, Ablehnung aber auch Freundschaft ein. Auch Themen wie die Migrationssteuer, die die Familien eritreischer Flüchtlinge an den Staat zu zahlen haben und die sie oft in den finanziellen Ruin treiben, und die Zwangsverpflichtungen an den Staat als Fluchtursache kommen zur Sprache und können im Gespräch vertieft werden.
In dem Film „Bahar im Wunderland“ (Behrooz Karamizade, Deutschland 2013, 17 Min.) werden die Ängste des kleinen Mädchens Bahar, das mit seinem Vater aus Syrien illegal in Deutschland ist, unmittelbar anschaulich. Denn Bahar hart beschlossen, dass sie, wenn sie die Augen schließt, auch für andere unsichtbar ist. Als sie jedoch von ihrem Vater getrennt wird, muss sie andere Formen der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit finden.
Auch in dem Film „Amal“ (Caroline Reucker, Deutschland 2014, 55 Min.) stehen die Kinder der Familie, die nach langer Flucht in Deutschland angekommen ist, im Mittelpunkt. Nachdem das jüngste Kind der Familie bei einem Bombenabgriff ums Leben kam und einer der Söhne schwer verletzt wurde, sah sich die Familie zur Flucht gezwungen. Der Junge konnte in Deutschland erfolgreich operiert werden, die beiden Töchter gewöhnen sich an die Schule in der fremden Sprache und genießen die kleinen Freiheiten und das Fahrradfahren. Und während die Kinder sich vorsichtig der neuen Umgebung öffnen, bleibt vor allem die Mutter im Schmerz um den Verlust gefangen.
„Angekommen“, so heißt ein Film, den das UNHCR 2011 in Deutschland produzieren ließ (19 Min.). In ihm stehen junge Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern vor und hinter der Kamera und erzählen ihre Geschichte und die von Flüchtlingen, die schon länger in Deutschland leben.
In dem Film „Mit den Augen eines Flüchtlingskindes“, den Susan Gluth 2005 in einem Flüchtlingslager im Sudan drehte, wohin in sich zehntausende vor den Übergriffen der Janjaweed in Dafur, Sudan, retten konnten, steht der Alltag von zwei Mädchen im Mittelpunkt. Die Aufrechterhaltung des Alltags nimmt fast ihre gesamte Zeit in Anspruch. Doch finden die beiden Freundinnen auch die Zeit zum Zusammensein und sich zu erzählen wovor sie sich fürchten und was ihnen die Zukunft bringen soll.
Seit 2015 sind die CINEMANYA-Filmkoffer des Goethe-Institut für die medienpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen deutschlandweit im Einsatz. Filme können ein Weg sein, den Zugang zu einer anderen Kultur und Sprache zu erleichtern. Mit dem Filmkoffer CINEMANYA stellt das Goethe-Institut in Kooperation mit dem Bundesverband Jugend und Film e. V. (BJF) deutsche Filme für die medienpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Über Kofferpatinnen und -paten können die Koffer eingesetzt werden. Kuratiert wurde die Filmauswahl von Michael Harbauer, Festivalleiter des internationalen Filmfestivals Schlingel für Kinder und junges Publikum. Zu den Filmen gibt es außerdem ein Begleithandbuch mit Tipps und Hinweisen für die Vor- und Nachbereitung der Filmvorstellungen. https://www.goethe.de/de/kul/flm/ser/kof.html?wt_sc=cinemanya
Die Kompilations-DVD „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ vereint acht kurze und mittellange Filme zum Thema Flucht, Migration und Integration. Der kurze Animationsfilm „Eine Giraffe im Regen“ (Pascal Hecquet, Frankreich, Belgien 2007, 12 Min.), der ohne Worte auskommt, ist für alle Altersstufen geeignet um sich dem Thema, was es bedeutet, seine Heimat gezwungenermaßen verlassen zu müssen, anzunähern. In diesem Fall ist eine Giraffe gezwungen, im Land der Hunde um Asyl anzufragen, wo schon allein das Essen große Herausforderungen an die Vegetarierin stellt. Dich dir Freundschaft mit einem Hund und einem Vogel erleichtern es ihr in dem schön gestalteten Film, neuen Lebensmut zu fassen.
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