Barrieren in den Köpfen. Stereotypen und Vorurteile überwinden
Flüchtlings- und Einwandererkomödien sind mächtig im Kommen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie den Flüchtling oder Einwanderer in einer mehr oder weniger lebhaften Versuchsanordnung zwischen Familie, Staat und Tradition platzieren und gerne schon im Titel willkommen heißen: „Welcome to Norway“; „Bienvenu à Marly-Gormont“, „Willkommen bei den Hartmanns“. Diesem Phänomen geht die Filmjournalistin Katja Nicodemus in ihrem Artikel in der ZEIT vom 11.05.2017 nach, den sie lakonisch mit „Haha!“ titelte. „Offenbar“, so heißt es in dem Text weiter, „gibt es einen Bedarf an Filmen, die nichts falsch und alles leicht machen wollen“ – auch wenn sie dabei, wie aus „Le Monde“ zitiert, „der Wirklichkeit den Hals umdrehen“. Zwar ist es Sinn und Zweck von Komödien, Spannungen in Gelächter aufzulösen, doch, so geht es ermutigend weiter, vielleicht würden die Albernheiten, das harmlose Kreisen um unsere Frustrationen, unsere kleinen Rassismen um die Wohlstandsverwöhnten in französischen Schlösschen und Münchner Ärtzevillen als Durchgangsstadien gebraucht, um irgendwann von gleichberechtigten Beziehungen unter Menschen mit Brüchen, Traumata und Verwirrungen erzählen zu können.
Peter Heller hat sich in seiner langjährigen Arbeit als Filmemacher immer wieder mit Themen befasst, die den Kontinent Afrika in den Mittelpunkt stellen und nicht zuletzt die Beziehungen zu Europa beleuchten – von der Kolonialzeit bis hin zu den Verwerfungen der Entwicklungshilfe. In seinem neuesten Film „Life Saaraba Illegal“ folgt er der Geschichte zweier Brüder, die von der Küste Senegals, wo es nichts mehr zu fischen gibt, auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa, dem vermeintlichen Paradies „Saaraba“, aufbrechen. Begleitet werden sie von ihrem Cousin Saliou, der das Glück hatte, im wohlhabenderen Teil der Familie aufzuwachsen, in Frankreich studierte und sich in Dakar eine Zukunft als Musiker aufbauen konnte. Er versucht, die Brüder von der Reise abzubringen, doch ist mit der Migration nach Europa weit mehr verbunden als der Wunsch nach wirtschaftlicher Verbesserung. Es ist mittlerweile ein Initiationsritus, verbunden mit der Fähigkeit, die Gefahren der Reise zu ertragen und dem Wunsch, als anerkannter Mann in die Heimat zurückzukehren. Die Verbindung zu unserem Wohlstand und handelspolitischer Überlegenheit, die rechtlose Migranten wie Aladji und Souley schamlos ausbeuten, werden in dem kurzen Film „Barça ou Bassa – Barcelona oder Tod“, ebenfalls von Peter Heller, vertieft, der auf der gleichen DVD zu finden ist. Darin sind es in erster Linie afrikanische Expertinnen und Experten, die das Phänomen erläutern, weshalb immer mehr junge Menschen Afrikain der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Europa verlassen. Dabei kommen ökologische und wirtschaftliche Bedingungen ebenso zur Sprache wie geopolitische Zusammenhänge. Da Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt festgelegt werden, Importgüter mit niedrigen Einfuhrzöllen belegt sind und die hoch subventionierten Produkte aus Europa die einheimischen Strukturen zerstören, haben die Daheimgebliebenen kaum noch Chancen. Schon jetzt sind die Überweisungen der Migranten aus Europa wichtiger als die gesamte Entwicklungshilfe. Abhilfe könnte ein fairer Handel, die Unterbindung von Landraub und eine echte Partnerschaft sein. Stattdessen werden die westafrikanischen Länder von Europa weiterhin wirtschaftlich ausgebeutet, Mauern errichtet und totalitäre Regimes in Afrika unterstützt. Der Film passt deshalb so gut zu diesem Thema, weil er unbequeme Wahrheiten anspricht und die Verantwortung Europas, so wie die jedes Einzelnen als BürgerIn und KonsumentIn zur Sprache bringt.
Es gibt drei empfehlenswerte Kompilations-DVDs, die sich explizit mit den Themen Fremdheit, Rassismus und Stereotypen auseinandersetzen und Materialien enthalten, die den Einsatz im Unterricht erleichtern.
Die DVD Bilder im Kopf – Klischees, Vorurteile, kulturelle Konflikte enthält sechs Kurzfilme, die Situationen, in denen sich verschiedene Menschen unterschiedlicher Herkunft und Prägung begegnen, schildern Auf den Punkt gebracht, manchmal auch komisch und mit unerwarteten Wendungen, zeigen die Filme, was passiert, wenn Vorurteile und Klischees über tatsächliche oder vermeintliche kulturelle Unterschiede die Wahrnehmung und die Kommunikation bestimmen. Hiyab – Das Kopftuch von Xavi Sala zum Beispiel. Fatima ist Muslima und neu an der Schule. Ihre Lehrerin möchte unbedingt, dass sie Ihr Kopftuch abnimmt, bevor sie in die Klasse geht. Doch Fatima widersetzt sich zunächst ihrer Lehrerin und die beiden versuchen einander mit Argumenten zu überzeugen, bis Fatima widerwillig ihre Kopfbedeckung abnimmt und in die Klasse geht. Dort stellt sie der Lehrer als neue Mitschülerin vor mit der Einladung an alle, sie fair zu behandeln. Fatima schaut in die Klasse und bemerkt plötzlich, dass viele SchülerInnen Kopfbedeckungen tragen. Der Film bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, um über die sehr unterschiedliche Bewertung von Kopftüchern, anderen Kopfbedeckungen bzw. Kleiderordnungen und -regeln im Allgemeinen, aber auch über religiöse Werte, kulturelle Normen oder Fragen der individuellen und kollektiven Identität nachzudenken.
Die Kompilations-DVD Respekt statt Rassismus – Vorurteile überwinden. Diskriminierung vermeiden. Menschenrechte fördern enthält neun Kurzfilme aus verschiedenen Ländern und stellt auf sehr unterschiedliche Weise Szenen und Geschichten zum Thema Rassismus vor. Auch diese DVD enthält umfangreiche Begleitmaterialien, bestehend aus Hintergrundinformationen, Unterrichtsvorschlägen und Arbeitsblättern und bietet so eine solide Grundlage zur kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Phänomens Rassismus.
Die DVD Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Filme zum Thema Migration macht in ihren neun kurzen Filmen die unterschiedlichen Erfahrungen von Migranten, aber auch die derjenigen, die ihnen begegnen, anschaulich – und ist mit ausführlichem weiterführenden Material ergänzt. Beispielhaft seien zwei Filme vorgestellt Choice, so auch der Titel des Films von Maria Teresa Camoglio, ist der Name eines 17-jähriges Mädchen aus Nigeria. Nach einer langen und gefährlichen Reise landet sie auf der italienischen Insel Lampedusa, wo sie in einem Auffanglager untergebracht wird. Schon bald gelingt es ihr, zu entkommen und sich bis Norditalien durchzuschlagen. Doch sowohl diese Flucht als auch die „Hilfe“ die sie nach ihrer Ankunft in einem norditalienischen Bahnhof erfährt, ist, wie Choice im Nachhinein erfahren wird, von Menschenhändlern arrangiert. Schon bald wird Choice zur Prostitution gezwungen. Als es ihr schließlich gelingt, ihrer Bewacherin zu entkommen, findet sie Aufnahme in einem Aussteigerprogramm. Dort lernt sie Italienisch und findet Hilfe bei der Suche nach Arbeit. Sie erhält eine befristete Aufenthaltserlaubnis und blickt erstmals hoffnungsvoll in die Zukunft. Amsterdam ist der Sehnsuchtsort des jungen Franzosen Bruno, der statt zu reisen auf dem Weinberg seines Vaters arbeiten muss. In dem gleichnamigen Film von Philippe Etienne geht es um einen Bildungsprozess, den der junge Mann, der beschützt in seinem ländlichen Umfeld aufwächsst durchläuft. Bei der Arbeit lernt Bruno den jungen maghrebinischen Flüchtling Hakim kennen und erfährt durch dessen Erzählungen erstmals von den Schwierigkeiten und der Verantwortung gleichaltriger Jugendlicher in anderen Teilen der Welt.
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