Frauen und Entwicklung (SDG 5)
Gerade fanden die Gedenkfeierlichkeiten zu 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland statt. Im deutschen Parlament sei jedoch, so Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede zu diesem Anlass, der Anteil an Frauen unter den Bundestagsabgeordneten auf 30,9 Prozent gesunken – auf das Niveau des Parlaments des Südsudans. Das nachhaltige Entwicklungsziel 5 bezieht sich auf die Gleichstellung der Geschlechter und Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen.
Doch der Weg ist weit. Noch immer sind Frauen die ersten Opfer kriegerischer Konflikte. Eindrücklich und bewegend schildert dies Heidi Specogna in ihrem Film Cahier Africain (Deutschland, Schweiz 20916, 119 Min.). Im Mittelpunkt des Films steht ein schmales Heft, in dem 300 zentralafrikanische Frauen und Mädchen offenbaren, was ihnen im Oktober 2002 im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen von kongolesischen Söldnern angetan worden war, um beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Beweisstück zu dienen. Unter den Betroffenenund Zeuginnen ist Amzine, eine junge muslimische Frau, die als Folge der Vergewaltigungen ein Kind zur Welt brachte. Der Blick auf ihre heute 12-jährige Tochter Fane erinnert sie täglich an das dem Heft anvertraute Leid. Arlette, ein christliches Mädchen, litt jahrelang an einer nicht heilen wollenden Schussverletzung am Knie. Nach einer erfolgreichen Operation in Berlin hegt sie Hoffnung auf ein schmerzfreies Leben. Aber inmitten der Versuche, den schwierigen Alltag zu meistern – und während in Den Haag noch die juristische Aufarbeitung der letzten Kriegsverbrechen in Gange ist – bricht in der Zentralafrikanischen Republik der nächste Krieg aus. Amzine, Fane und Arlette werden erneut in einen Strudel von Gewalt, Tod und Vertreibung gerissen. Sie sind unmittelbar vom Zusammenbruch von Ordnung und Zivilisation in einem von Bürgerkrieg und Putsch zerrissenen Land betroffen.
Wie schwer es ist, sich im Alltag von der Bürde, ein Mädchen zu sein, zu lösen, zeigen die Geschichten über junge Frauen, die den Mut nicht verloren haben, und die von Regisseurinnen erzählt und sichtbar gemacht werden. Die 18-jährige Sonita aus Afghanistan (ein Film von Rokhsareh Ghaem Maghami, Deutschland, Schweiz, Iran 2015, 91 Min.) lebt unregistriert und ohne Papiere in einer Flüchtlingsunterkunft im Iran. Sie liebt Musik, schreibt eigene Songtexte und träumt von einer Karriere als Rapperin. Doch ihre Eltern haben andere Pläne: Um die finanziellen Probleme der Familie zu lösen, wollen sie Sonita mit einem unbekannten Mann verheiraten. Die junge Musikerin stellt sich dem entgegen und engagiert sich mit ihrer Musik gegen die Zwangsverheiratung von Mädchen und jungen Frauen.
„Was werden die Leute sagen“ – das ist der Titel des Films von Iram Haq (Norwegen, Deutschland, Schweden 2017, 106 Min.) und die größte Angst des Vaters der 15-jährigen Nisha, die mit ihrer pakistanischen Familie in Norwegen lebt. Dort pendelt sie zwischen der Teilhabe am Leben gleichaltriger Freundinnen und dem traditionellen Leben in ihrer Familie. Als ihr Vater sie zusammen mit einem Jungen erwischt, wird sie zu Verwandten nach Pakistan gebracht. Doch auch dort ist die junge Frau nicht bereit, auf ihre eigenen Vorstellungen von Leben zu verzichten.
In dem Film Die Zeit der Frauen (Leena Yadav, Indien, USA, Großbritannien 2015, 116 Min.) lehnen sich vier Frauen in einem indischen Dorf gegen die Männer und die erdrückenden Traditionen auf. Mit Hilfe ihrer Freundschaft und ihres Freiheitswillens bekämpfen sie ihre Ängste vor der Unabhängigkeit und beginnen, ihre Träume ernst zu nehmen.
In Form eines Mockumentaries erzähle Kaouther Ben Hania über ihre Suche nach dem vermeintlichen „Challat“, dem „Schlitzer“, der 2003 Tunis in Aufregung versetzte, weil er angeblich unzüchtig gekleidete Frauen mit einer Rasierklinge verletzte. In ihrem Film Le Challat de Tunis – Das Phantom von Tunis (Tunesien, Frankreich 2014, 90 Min.) spürt sie zehn Jahre später der Geschichte dieses Phänomens nach und fragt, weshalb viele junge Männer sich noch immer damit brüsten, der „echte Schlitzer“ zu sein, der mit seiner Aktion die Unmoral der Frauen sichtbar machen will. In Gesprächen mit Männern im Kaffeehaus, beim Casting zu einem vermeintlichen Spielfilm, mit angeblichen und wirklichen Opfern des „Challat“ und mit Erfindern des „Challat“ Videospiels und des „Virgin-o-meters“ deckt sie den alltäglichen Sexismus der tunesischen Gesellschaft auf. In einer Mischung aus dokumentarisch wirkenden Teilen und Spielszenen entsteht das Bild einer Gesellschaft, in der hinter der frauenfeindlichen Haltung der Männer auch die ungelösten Probleme des Landes sichtbar werden.
In ihrem Film #Female Pleasure (Schweiz, Deutschland 2018, 97 Min.) begleitet Barbara Miller fünf mutige, starke, kluge Frauen aus den fünf Weltreligionen und zeigt ihren erfolgreichen und riskanten Kampf für eine selbstbestimmte weibliche Sexualität und für ein gleichberechtigtes, respektvolles Miteinander unter den Geschlechtern. Deborah Feldman hat ihre jüdisch-orthodoxe Familie in New York verlassen, um mit ihrem Sohn ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Leyla Hussein wurde als siebenjähriges Mädchen in einer strenggläubigen muslimischen Familie genital verstümmelt. Seit der Geburt ihrer Tochter kämpft sie für körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung muslimischer Frauen in fundamentalistischen Ländern, aber auch in Europa, wo sie sich in Großbritannien gegen Beschneidung von Mädchen einsetzt. Die Japanerin Rokudenashiko wuchs in einem traditionell-buddhistischen-schintoistischem Elternhaus auf. Als Manga- und Aktionskünstlerin mit Vagina-Performences kämpft sie gegen die Verteufelung weiblicher Sexualität. Sie wurde deshalb verhaftet und eine zweijährige Haftstrafe angedroht. Doris Wagner, aufgewachsen in einer strenggläubigen protestantisch-katholischen Familie in Bayern, trat mit 19 Jahren in ein erzkatholisches Ordenskloster ein. Sie erlebte sexuellen Missbrauch und kämpft seither gegen Doppelmoral und sexuelle Übergriffe in der katholischen Kirche. Vithika Yadav wuchs in einer traditionellen hinduistischen Familie im nordindischen Rajasthan auf. Von klein auf lernte sie, keinem Mann in die Augen zu schauen und sich nie allein auf die Straße zu wagen. Doch alle Verhaltensregeln schützten sie nicht vor sexuellen Belästigungen und Übergriffen. Doch Vithika begann, sich zu wehren, und gründete die indische Sexualaufklärungsplattform „Love Matters“, die heute Millionen von Nutzerinnen und Followern hat.