Flucht, Migration und nachhaltige Entwicklung

Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung drückt die internationale Staatengemeinschaft ihre Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen. Die Agenda schafft die Grundlage dafür, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten.

(Bild: Die Piroge von Moussa Touré)

In einem Beitrag für die Friedrich-Ebert-Stiftung geht Felix Braunsdorf der Frage nach: Wie viel Migration steckt in der Agenda 2030? Der Autor zeigt die Bezüge zu Migration, die in der Agenda 2030 enthalten sind, ebenso auf wie die Ursachen für Flucht und Vertreibung, die in der Agenda identifiziert werden. „Bereits Präambel und Erklärung der Agenda 2030 enthalten zahlreiche migrationsrelevante Erkenntnisse und Verpflichtungen. Es wird festgehalten, dass humanitäre Katastrophen und die Vertreibung von Menschen den Entwicklungsfortschritt beeinträchtigen (Paragraph 14), gefährdete Gruppen wie Vertriebene, Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten gestärkt werden müssen (Paragraph 23), alle Menschen, auch Letztere, Zugang zu lebenslangem Lernen bekommen sollen (Paragraph 25), Zwangsarbeit, Menschenhandel und Kinderarbeit beendet werden muss (Paragraph 27), und dass Migration positiv auf ein inklusives Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung wirkt (Paragraph 29)“ heißt es in dem Text.

Krieg und Katastrophen sind Auslöser, die Menschen immer wieder zur Flucht zwingen. „Nachrichten aus Syrien – The War on my Phone“, der Film von Elke Sasse, zeigt das Leben von aus Syrien Geflüchteten. Eigentlich leben sie in Europa in Sicherheit. Doch innerlich sind sie zerrissen, weil Verwandte und Freunde aus der syrischen Heimat ihnen Tag für Tag die Kriegsrealität aufs Smartphone schicken: Videos über Bombardierungen und Nachrichten über den Alltag unter IS-Kontrolle. Der Film zeigt sehr persönliche Geschichten aus dem Kriegsgebiet und wie sie den Alltag der Geflüchteten hier in Deutschland prägen.

Nach dem Dokumentarfilm „#MyEscape“ (2016 ausgezeichnet mit dem Prix Europa und 2017 mit dem Eine-Welt-Filmpreis NRW) verwendet „The War on my Phone“ einmal mehr nicht professionelles Video- und Tonmaterial. Die Bilder und Nachrichten berühren, weil sie ohne professionelle Distanz auskommen. Es sind Kriegsbilder im digitalen Zeitalter, in dem ferne Realitäten täglich, stündlich, minütlich präsent sind. In diesem Fall schmerzlich nah. Der Film kann in der Kurzfassung für den Einsatz im Unterricht heruntergeladen oder direkt von planet-schule.de gestreamt werden.

Auch „#My Escape“ steht bei planet-schule.de in der Kurzfassung für den Unterricht zur Verfügung.

Auch wirtschaftliche und persönliche Motive drängen zum Verlassen der Heimat und dazu, das Schicksal der Migration auf sich zu nehmen. Dies zeigt eindrücklich der Film „Life-Saaraba-Illegal“ (2015, 90 Min.). In seiner Langzeitbeobachtung verfolgt Regisseur Peter Heller den Weg zweier Brüder, die sich, nachdem der Fischfang, bedingt durch die großen europäischen Fischfangflotten auf ihrer senegalesischen Insel fast zum Erliegen gekommen ist, auf den Weg ins „Gelobte Land Europa“ machen. Die Hoffnungen und Wünsche der beiden, sich dort eine Zukunft aufzubauen, erfüllen sich nicht. Begleitet werden sie von ihrem Cousin Saliou, Musiker und Griot, der in Texten und Liedern ihr Ringen um Glück aufgreift.

„Die Piroge“ (2012, 87 Min.) beschreibt eindrücklich den Weg einer Flucht über das Mittelmeer nach Europa – auf einer Piroge, dem traditionellen senegalesischen Fischerboot, mit dem nicht mehr genug Fische gefangen werden können, das aber auch nicht hochseetauglich ist, um die gefährliche Überfahrt zu wagen. In seinem Spielfilm gelingt es dem senegalesischen Filmemacher Moussa Touré eindrücklich, die unterschiedlichen Erwartungen der Reisenden zu einem Tableau zu verdichten, das jedem einzelnen das Recht auf die Verwirklichung seines Lebenstraums einräumt.

Filmemacherin Melanie Gärtner lernte Yves während der Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über Flüchtlinge an der Grenze zu der spanischen Enklave Ceuta in Marokko kennen. Der Film „Im Land dazwischen“ (2012, 35 Min.) portraitiert drei Migranten, die schließlich einen Weg nach Spanien finden, jedoch nicht dort ankommen, wohin sie wollten.

In „Yves‘ Versprechen“ (2017, 79 Min.), der Film, der den jungen Kameruner in den Mittelpunkt stellt, kehrt Melanie Gärtner in die Heimat Yves‘ zurück und überbringt Videobotschaften an seine Familie, mit der er jahrelang keinen Kontakt hatte. Selbst lebt er mittlerweile unter prekären Bedingungen in Spanien. Doch das Versprechen, das er seiner Familie gegeben hat, auch für sie für ein besseres Leben zu sorgen, konnte er nicht erfüllen. Eine ausführliche Arbeitshilfe zum Film gibt Anregungen für den Einsatz in der Schule und Jugendarbeit.

In ihrem Dokuemnatrfilm „Die neuen Kinder von Golzow“ begleitet Filmemacherin Simone Catharina Gaul die syrischen Flüchtlingsfamilie Sayed Ahmad in ihrem ersten Jahr in Golzow in Brandeburg. Der Bürgermeister des kleinen Ortes hatte siech um Flüchtlingsfamilien bemüht, um die wegen Schülermangels von der Schließung bedrohten Schule zu retten. Er und andere Engagierte bemühen sich die neuen Mitbürger, sie treffen aber auch auf Vorbehalte. Der Titel bezieht sich auf die über 40-jährige Langzeitbeobachtung von Winfried Junge, der das Leben einer ganzen Generation in Golzow filmisch begleitete und diese erst unter politisch völlig veränderten Beddingungen beendete. Hute sind es die „Neuen Kinder von Golzow“, die beginnen, das Leben dort zu verändern.

Prekäre Arbeitsbedingungen, die Aussichtslosigkeit, mit der eigenen Arbeit sich und die Familie zu versorgen, sind ohne Zweifel Anlass für Flucht und Migration. Die Initiative Lieferkettengesetz fordert die Bundesregierung auf, ein Gesetz zu erlassen, das deutsche Unternehmen für Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards, aber auch Kinderarbeit und fehlenden Arbeitsschutz haftbar macht und dass Betroffene vor deutschen Gerichten Entschädigung einklagen können, wenn ein Unternehmen seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Brot für die Welt und EZEF (Evangelisches Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit) haben eine Filmliste zum Thema Lieferkettengesetz zusammengestellt.

„Todschick – die Schattenseite der Mode“ von Inge Altemeier (2016, 45 Min.) nimmt die Arbeitsbedingungen von TextilarbeiterInnen in Bangladesch, die 2013 zu dem entsetzlichen Unglück im Rana Plaza Industriekomplex führten, der den Tod von mehr aus 1.000 Menschen zur Folge hatte, zum Anlass, sich mit dem Thema Lieferketten am Beispiel französischer Initiativen zu nähern.

„Death by Design – die dunkle Seite der IT-Industrie“ verfolgt neben der Umweltverschmutzung auch die Ausbeutung und gesundheitlichen Gefahren, denen ArbeiterInnen bei der Herstellung zum Beispiel von Smartphones, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, ausgesetzt sind. (Sue Williams, 2015, 73 Min.)

 

Von Brot für die Welt und EZEF liegt auch eine Filmauswahl zum Thema Kinderrechte vor.

„Urmila – für die Freiheit“ (2015, 83 Min.) ist das Portrait der nepalesischen Kinderrechtsaktivistin Urmila Chaudhary, die selbst im Alter von sechs Jahren von ihren Eltern als Kamalari an eine Familie in die nepalesische Hauptstadt Kathmandu verkauft wurde, wo sie unter sklavenartigen Bedingungen arbeiten musste. Nach ihrer Befreiung stand fest, dass sie andere Mädchen vor diesem Schicksal bewahren wollte. Filmemacherin Susan Gluth begleitet sie bei ihrer Arbeit in der Organisation „Freed Kamalari Development Forum“ (FKDF) und ihren Mühen parallel die Schule abzuschließen, um ihren Wunsch, Anwältin zu werden, erfüllen zu können.

Auch die beiden Brüder Ali und Mohammed müssen arbeiten. Sie sind mit ihren Eltern aus Afghanistan nach Deutschland in der Türkei gelandet. Als Schuhputzer verdienen sie ein bisschen Geld. Als ein anderer Junge ihren „angestammten“ Arbeitsplatz vor einem Teehaus besetzt, wehren sie sich mit aller Gewalt gegen den Neuankömmling. Doch auch dieser Junge ist ein Flüchtling und trägt die gleichen Ängste und Sorgen um das Überleben in sich, wie Ali und Mohammed. Der Kurzspielfilm „Angelus Novus – Reise ins Unbekannte“ von Aboozar Amini (2015, 25 Min.) verbindet kunstvoll die Geschicke von Kindern auf der Flucht mit deren Recht auf Bildung, Entwicklung und einem Leben in Sicherheit und Würde.

Das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) hat unter dem Titel „Vom Aufbrechen und Ankommen“ Kinder-und Jugendfilme zum Themenkomplex Flucht und Migration zusammengestellt. Neben den für die Filmbildung relevanten Filmempfehlungen bietet die Website auch einen Überblick an Projekten, Links zu didaktischen Materialien sowie Hintergrundinformationen, wie etwa Literaturtipps und Adressen von Filmanbietern. Für eine differenzierte und vertiefende Auseinandersetzung mit dem Themenfeld sind die Filme nach vielschichtigen Aspekten aufgefächert: „Begegnung der Kulturen“, „Fluchterfahrungen“, „Menschenrechte“, „Asyl“ oder „Xenophobie“. „Denn zwischen existenzieller Not und der Sehnsucht nach einem besseren Leben gibt es ein breites Erzählspektrum, das die aktuelle politische Auseinandersetzung um kulturelle und pädagogische Dimensionen erweitert“, so heißt es in der Pressemitteilung. Auch wenn die Zusammenstellung bereits 2016 erfolgte, haben die Filme nichts an Bedeutung für die aktuelle Diskussion verloren.