Globales Lernen im Sprachunterricht
Sprache ist eng mit der Kultur des Landes oder Region verbunden, in der sie gesprochen wird, und so ist auch das Erlernen einer Sprache unbedingt mit Einblicken in deren kulturellen Hintergrund verbunden. Es gibt viele Gründe dafür, Filme im Sprachunterricht einzusetzen, und gerade auch ihre Bedeutung im Globalen Lernen zu betonen. Da bietet natürlich der Blick über die Grenzen, den Filme von Regisseurinnen und Regisseuren aus anderen Kontinenten anbieten, die sich aus ihrer Sicht und ihrem kulturellen Verständnis mit Themen der Zeit auseinandersetzen, wichtige Anregungen. Das Hörverständnis kann geübt werden – ein wichtiger Schritt beim Erlernen einer fremden Sprache. Viele Filme – hier soll beispielhaft einige Filme aus dem frankophonen Afrika und spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas vorgestellt werden – liegen in der der Originalfassung und der untertitelten Fassung vor, so dass es beide Möglichkeiten gibt, einen Film zu zeigen. Und man wird nebenbei auch den Unterschied verstehen lernen, wie ein Film wirkt, wenn er synchronisiert oder in seiner originalen Sprachfassung rezipiert wird.
Spielfilme scheinen oftmals zu lang zu sein, um sie im Unterricht einzusetzen, sie bieten dadurch aber wunderbare Möglichkeiten, sich in die Alltagssprache „einzuhören“, die Unterschiede zu erfassen zwischen einem spanischen Spanisch oder dem in Argentinien oder Uruguay gesprochenen – zum Beispiel. Und nicht zu vergessen die Lust auf Geschichten, die neugierig machen und jeden guten Film zu einem einmaligen Erlebnis werden lassen. Und Neugierde ist immer ein guter Motor, um Bildungsprozesse anzuregen.
Spielfilme für den Spanischunterricht:
Gigante, so der Titel der lakonischen Betrachtung von Adrián Biniez (Spanien, Deutschland, Argentinien, Uruguay 2009, 84 min.), in deren Mittelpunkt der große aber schüchterne Wachmann Jara steht, der sich heftig in die Ladendiebin – und Kollegin – Julia verliebt. Unfähig, sich ihr zu öffnen, beginnt er, ihr zu folgen und wir so das ein oder andere Mal unverhofft zu ihrem Retter. Einerseits eine skurrile Liebeskomödie, erzählt der Film andererseits von der Anonymität der Warenwelt und wie sie im heutigen Argentinien das Leben der kleinen Leute bestimmt.
Auch Octubre – Im Oktober werden Wunder wahr der Brüder Daniel und Diego Vega (Peru 2010, 93 min.) erzählt eine Liebesgeschichte, die des Pfandleihers Clemente zu seiner Nachbarin Sofia, die ihm hilft, ein Findelkind zu versorgen. Auch hier stehen die Nöte der kleinen Leute im Mittelpunkt, die sich irgendwie durchschlagen und den Alltag bewältigen müssen – sei es im Glauben an die Macht des Geldes oder den an „Señor de los milagros“, der vor allem im Monat Oktober zur Zeit der Prozessionen Wunder bewirken soll.
Die Ersatzteile – Partes Usadas, von denen im gleichnamigen Film von Aaron Fernández (Spanien, Mexiko, Frankreich 2007, 95 min.) die Rede ist, sind geklaut, um die Schlepper für die Flucht des 14jährigen Iván und seines Onkels Jaime in die USA zu bezahlen. Als der Onkel die Reise nun doch mit seiner neuen Liebe antreten will, beschließt der enttäuschte Iván, das einträgliche Geschäft mit der Hehlerware mit der Konkurrenz des Onkels weiterzuführen. Vor dem realen Hintergrund des kriminell organisierten Handels mit Auto-Ersatzteilen in Mexico City erzählt der Film auch eine Geschichte von Freundschaft und Verrat und dem Erwachsenwerden, das auch den Verlust der Kindheit bedeutet.
Die 18jährige Yuma sieht in dem gleichnamigen Film von Florence Jaugey (Nicaragua 2010, 87 min.) in ihrem Erfolg als Boxerin die einzige Chance, der Ausweglosigkeit in den armen Vororten Managuas zu entgehen. Doch nicht nur der Sport, auch die Ablösung von ihrer alten „Gang“ und die Liebe zu einem jungen Journalisten, der einer anderen gesellschaftlichen Schicht angehört, fordern all ihre Kraft. Yuma ist dabei das Beispiel einer jungen lebenshungrigen Frau, die nicht nur Klassenschranken überwinden will, sondern sich auch ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft erkämpft.
Auch die junge Fausta ist auf der Suche nach sich selbst. Eine Perle Ewigkeit, so der deutsche Titel des Films La teta asustada von Claudia Llosa (Peru, Spanien 2009, 100 min.), mit dem sie 2009 den Goldenen Bären der Berlinale gewann, erzählt die Geschichte ihrer Befreiung von den Erinnerungen an die Gewalt, die ihre Mutter erlitten und an sie weitervererbt hat. Als die Mutter stirbt ist Fausta gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, um die Bestattung finanzieren zu können. Die findet sie als Hauangestellte bei einer Pianistin, die von ihren Liedern fasziniert ist und ihr für jedes Lied eine Perle verspricht. Bildgewaltig erzählt der Film von den Mythen eines Landes und den Wunden eines unverarbeiteten Krieges.
Auch in Taxi – eine Nacht in Buenos Aires / Taxi – un encuentro (Argentinien 2001, 90 min.) spiegelt sich die Tragödie ihres Landes im Leben der Protagonisten. Gabriela David schildert darin die Begegnung Estebans, der sein Geld verdient, indem er Fahrten mit gestohlenen Taxis unternimmt, und einer jungen Frau, deren Familie sich das Leben nahm. Vor dem Hintergrund der argentinischen Wirtschaftskrise erzählt der Film die Geschichte zweier junger Leute, die am Rande der Gesellschaft stehen, sich in der Einsamkeit der Großstadt durch Zufall finden und beide auf ihre Weise nicht aufgehört haben, einen Traum von Freiheit und die Sehnsucht nach Liebe zu leben.
Spielfilme für den Französischunterricht:
In ihrem Film Unsere Fremde – notre étrangère (Burkina Faso, Frankreich 2009, 82 min.) begleitet die Regisseurin Sarah Bouyain ihre Protagonistin Amy auf der Suche nach ihrer Muttern in Burkina Faso, die sie als Neunjährige verließ, um bei ihrem französischen Vater in Paris aufzuwachsen. Für die junge Frau wird die Reise zu einer Begegnung mit einer ihr fremden Welt, aber auch mit Erinnerungen an ihre Kindheit. Langsam erfährt sie mehr über die Motive ihrer Mutter, sie als Kind zu verlassen und entdeckt eine Fremde und doch Vertraute in ihr, die sie neu kennen lernen möchte.
Der Burkinabe S. Pierre Yameogo hat mit Ich und mein Weißer – moi et mon blanc einen Abenteuerfilm gedreht, eine dramatische zeitgenössische Gangsterkomödie, in der sich die beiden Protagonisten Mamadi und Franck zwischen Frankreich und Burkina Faso bewegen, immer auf der Flucht und konfrontiert mit allen Vorurteilen, die beide Welten zuverlässig begleiten. Wie in allen seinen Filmen setzt sich Yameogo auch in diesem wieder mit aktuellen Problemen auseinander und geht kritisch mit der politischen und sozialen Realität in den beiden Ländern Burkina Faso und Frankreich um.
La Pirogue – Die Piroge von Moussa Touré greift ein Thema auf, das erneut traurige Aktualität erlangt hat: Die massenhafte Flucht junger Senegalesen in viel zu kleinen und überfüllten Booten in das vermeintliche Paradies Europa. Kapitän Baye Laye hat die Verantwortung der Überfahrt nur übernommen, um seinen jüngeren Bruder zu schützen, von dem er, wie von den anderen Passagieren auch, annimmt, dass er sich der Gefahren nicht bewusst ist. Auf dem Boot und während der gefahrvollen Überfahrt treffen verschiedene Menschen und Schicksale aufeinander. Während einige der jüngeren Männer von einer Karriere als Fußballer oder Musiker träumen, erwarten die Älteren, ein Auskommen auf einer spanischen Gemüseplantage zu finden. Und so nimmt die Piroge ihre Reise auf. Erscheint sie zunächst groß und gut ausgerüstet, ist sie bald nur noch ein winziger Punkt in den Weiten des Ozeans.
Dieser Film erscheint Ende 2013 als DVD für die Bildungsarbeit.
In seinem Spielfilm Lumumba (Deutschland, Belgien, Haiti, Frankreich, Kongo 2000,112 min.) rekonstruiert der aus Haiti stammende Regisseur Raoul Peck die dramatischen Umstände und politischen Intrigen, die 1961 in der Ermordung des ersten Premierministers des gerade unabhängig gewordenen Kongos gipfelten. Das Schicksal Patrice Lumumbas, der legendären, fast mythischen Figur im Prozess der Dekolonisierung Afrikas, wird zu einem Schlüssel für das Verständnis der politischen Wirren im heutigen Kongo und der wirtschaftlichen Interessen, die den Krieg im Gebiet der Großen Seen am Laufen halten. Getreu an den Fakten orientiert ist dieser Film auch ein geeignetes Medium, um sich mit Kolonialgeschichte und der Geschichte Afrikas auseinander zu setzen.
Eine andere, interessante filmische Form findet Jean-Marie Teno in seinem Essayfilm Ferien in der Heimat – Vacances au pays (Frankreich, Kamerun, Deutschland 2000, 76 min.) In seinem „Road-Movie“ folgt er einer doppelten Bewegung: zum einen einer Reise durch Kamerun und zum anderen einer Reise in der Zeit, zurück in die Tage der Unabhängigkeit. Die reale Reise folgt der Route, wie sie Jean-Marie Teno während seiner Schulzeit in den Sommerferien unternommen hat – von der Hauptstadt Yaoundé, wo er das Gymnasium besuchen konnte, zurück in sein Heimatdorf und zu seiner Familie. Die Zeitreise führt in seine persönliche Vergangenheit und die seiner Familie zurück, sowie in die kollektive Geschichte seines Dorfes und seines Landes. Auf den Stationen dieser Reise begegnet er Menschen, die er nach den Hoffnungen aber auch nach den Enttäuschungen befragt, die ihnen die letzten Jahre seit der Unabhängigkeit gebracht haben. Auch dies eine interessante und auf persönlicher Ebene geführte Auseinandersetzung mit Kolonialgeschichte aus afrikanischer Perspektive.
Ausführliche Informationen zu den hier genannten Filmen, sowie eine Auswahl verwandter Themen finden Sie in der Datenbank.
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