Geschlechterrollen und Perspektiven in der Einen Welt

challatAls „Challat“ wurde ein Mann bekannt, der 2003 in der tunesischen Hauptstadt sein Unwesen trieb und vermeintlich unsittlich gekleidete Frauen mit einer Rasierklinge angriff. Zehn Jahre später und nach den Ereignissen, die als „arabischer Frühling“ die Länder Nordafrikas veränderten, kam die tunesische Filmemacherin Kaouther Ben Hania in ihrem Film „Challat de Tunis“ (Tunesien 2014, 90 Min.) auf das Thema zurück: nicht um zu dokumentieren, was damals geschah, sondern um in einer schrillen Mischung als Fiktion, Realität und Absurdität ein Phänomen zu begreifen, das den Körper der Frau zum Sinnbild der Moral eines ganzen Landes macht.

Die Erfahrung, was es heißt, eine junge lebenslustige Frau in Tunis zu sein, muss auch Farah in dem Film „Kaum öffne ich die Augen (2015, 102 Min.) von Leyla Bouzid machen. Sie hat gerade ihr Abitur gemacht und singt mit ihrer Rockband aufmüpfige Lieder gegen das Regime von Ben Ali, muss diese Freiheiten jedoch mit Repression und Einschränkungen bezahlen. Der Film wurde von Arsenal Filmverleih vor kurzem im Kino gestartet (www.arsenal-film.de)

KairoDer ägyptische Regisseur Mohammed Diab bezieht sich in seinem Film „Kairo 678“ (2010, 100 Min.) auf reale Begebenheiten. Der Filmtitel bezieht sich auf eine Buslinie in der ägyptischen Hauptstadt, mit der Fayza täglich zur Arbeit fährt und regelmäßig den sexuellen Übergriffen von Männern ausgeliefert ist. Zusammen mit Seba, die Opfer einer Massenvergewaltigung wurde, und der selbstbewussten Nelly, die nicht mehr bereit ist, Demütigungen in Kauf zu nehmen, planen sie Maßnahmen der Selbstverteidigung. Der Film reflektiert auch die sozialen Unterschiede in der ägyptischen Gesellschaft und bietet so einen guten Einblick in die Verhältnisse, die zu den jüngsten Umbrüchen geführt haben. Damit ist Mohamed Diabs bereits 2010 gedrehter Film auch ein ermutigendes Dokument des Arabischen Frühlings. Der Mut und die Entschlossenheit, die Dinge nicht mehr so hinzunehmen, spiegeln so bereits den gesellschaftlichen Wandel, die 2011 in den Protesten auf dem Tharir-Platz mündeten – auch wenn die Erfolge mit vielen Rückschlägen verknüpft ist.

„Amal“ lebt in Marokko. Das Mädchen möchte Ärztin werden und lernt fleißig, als das Geld in dder Familie knapp wird, muss sie jedoch erfahren, dass ihr Bruder weiter zur Schule geschickt wird und sie zu Hause bleiben muss. Der Film von Ali Benkirane ist Teil der Kompilations-DVD „Anna, Amal, Anoushe – Mädchen zwischen Rollenmustern und Selbstbestimmung“, auf der am Beispiel von acht Filmen auf die spezifischen Lebensbedingungen von Mädchen in verschiedenen Ländern eingegangen wird. Während Amal keine Möglichkeit hat, ihr Schicksal abzuwenden, ist die kleine Fatima in Senegal gerade dabei, ihre Welt zu entdecken und Fragen an ihre Umwelt zu stellen. „Die kleine Forscherin“ (in dem Film von Alain Gomis) stellt philosophische Kinderfragen, wie sie überall auf der Welt aus Neugierde entstehen.

Trotz der Probleme und Benachteiligungen, denen Frauen in vielen Ländern aufgrund ihres Geschlechts ausgesetzt sind, gibt es auch ermutigende Beispiele von jungen Frauen, die sich nicht beirren lassen und ihren Wege gegen Widerstände gehen.

urmilaUrmila war jahrelang als Hausangestellt tätig und arbeitete unter sklavenähnlichen Bedingungen, bis sie aus der Abhängigkeit befreit wurde. Heute engagiert sie sich selbst gegen die Ausbeutung von Frauen und Mädchen, die noch immer als Kamalari, als Hausmädchen verkauft werden. Susan Gluth begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Urmila – für die Freiheit (2015, 83 Min.) die junge Frau bei ihrem Einsatz für die Mädchen, denen sie Schutz und Ausbildung ermöglichen will.

Rafina wünscht sich sehnlich, in der Modebranche Fuß zu fassen und ergreift die Chance, die sich ihr in der Metropole Karachi, wo westlich orientierte junge Leute die Medien- und Modewelt neu aufstellen und traditionelle Strukturen hinter sich lassen. „Good Morning Karachi“ der pakistanischen Regisseurin Sabiha Sumar zeigt die Widersprüche, denen junge Frauen zwischen Tradition und Moderne ausgesetzt sind und aus denen sie nicht ohne Wunden hervorgehen.

Auch „Rain“ aus dem gleichnamigen Film von Maria Govan muss viele Widerstände überwinden, bevor sie in ihrer Heimat, den Bahamas, ihren Weg findet. Der Film schildert die Geschichte von 3 Frauen-Generationen: Während die Großmutter ein traditionelles Leben auf einer aabgelegenen Insel des Archipels führt, strandet ihre Tochter nach einer unerwünschten Teenager-Schwangerschaft als Prostituierter in der Hauptstadt Nassau. Rain, bei der Großmutter aufgewachsen, zieht nach deren Tod zu ihrer Mutter. Aus den miserablen Lebensumständen hilft ihr eine engagierte Lehrerin, die ihre Laufbegabung unterstützt und Halt gibt.

Auch die 18-jährige Yuma findet in dem Film „LaYuma“ von Florence Jaugey im Sport Bestätigung und Halt. Das nicaraguanische Mädchen, das in einem prekären Viertel der Hauptstadt Managua lebt, boxt nicht zum Zeitvertreib, sondern buchstäblich im ihre Rolle im Leben.

Dass die Kraft der Frauen Berge versetzen kann, das beschreibt der Dokumentarfilm „Zur Hölle mit dem Teufel – Frauen für ein freies Nigeria“ von Gini Reticker. Obwohl der eindrückliche Protest der Frauen von 2003 zum Sturz des Diktators Taylor in Liberia geführt hat, ist die Organisationskraft und der Mut der Frauen Beispiel und Vorbild für einen gewaltlosen Widerstand mit großen Folgen.

Ein Beispiel für aktuelle Themen in denen Frauen selbstbewusst ihren Beitrag leisten, zeigt der Film „No Problem! Solaringenieurinnen für Afrika“ von Yasmin Kidwai. Afrikanische Frauen werden in diesem Beispiel positiver Süd-Süd-Kooperation im Barefoot-College im indischen Rajastan zu Solaringenierinnen ausgebildet. Mit ihrem Wissen leisten sie nicht nur einen wichtigen Betrag zur Lösung des Energieproblems in afrikanischen Ländern, sondern sind auch in der Lage eine wirtschaftliche Perspektive zu entwickeln. Die drei Frauen, die in dem Film „Hands on! Aktiv gegen Klimawandel“ von Mary Kiio, Liz Miller und Karen Winther portraitiert werden, engagieren sich in ihren Heimatländern Norwegen, Kanada und Kenia für eine Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes. Dabei steht Bildung und der Aufbau lokaler Netzwerke von Frauen im Zentrum.