Landwirtschaft und Ernährung global

Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2019 bis 2028 zur UN-Dekade der Bäuerlichen Familienbetriebe erklärt. Weltweit produzieren kleinbäuerliche Betriebe 80 Prozent der Nahrung, die meisten davon in Entwicklungsländern. Sie spielen somit eine zentrale Rolle für die globale Ernährungssicherheit und darüber hinaus für nachhaltiges Wirtschaften und Biodiversität.

Doch gerade sie sind von Hunger und Armut bedroht, denn ihre landwirtschaftlichen Flächen sind klein und oftmals schutzlos den Begehrlichkeiten von Großgrundbesitzern ausgeliefert. Sie müssen sich gegen die Übernahme großer Saatguthersteller und den Einsatz von Pestiziden wehren. Die Auswirkungen des Klimawandels trifft sie ungeschützt und ohne nennenswerte Rücklagen.

„10 Milliarden – wie werden wir alle statt“, der Film von Valentin Thurn (2018, 103 Min.) greift auf, worum es beim Thema Ernährung eigentlich geht. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen angewachsen sein, so die These, die dem Film den Titel gibt. Valentin Thurn sucht weltweit nach Antworten auf die Frage, wie verhindert werden kann, dass durch hemmungslose Ausbeutung die Voraussetzungen für die Ernährung zerstört werden. Er erkundet die wichtigsten Grundlagen der Lebensmittelproduktion, spricht mit Vertretern der industriellen und der bäuerlichen Landwirtschaft, trifft Biobauern und Nahrungsmittelspekulanten, besucht Laborgärten und Fleischfabriken und zeigt Möglichkeiten der Veränderung auf. Ein mit der Nahrungsmittelproduktion eng verbundenes Thema, nämlich das der Nahrungsmittelverschwendung – von denen, die es sich leisten können – hat Valentin Thurn in seinen Filmen „Taste the Waste“ und „Essen im Eimer“ aufgegriffen. Die damit verbundenen Aktionen haben Wichtiges zur Bewusstmachung der Brisanz des Themas beigetragen.

Auch der österreichische Filmemacher Erwin Wagenhofer hat sich in seinem Film „We Feed the World“ (Österreich 2005, 60 Min.) exemplarisch mit den Auswirkungen der Globalisierung auf die Nahrungsmittelproduktion beschäftigt. Die unterschiedlichen Formen der weltweiten Herstellung von Nahrungsmitteln – von Massenproduktion bis Gentechnologie – und ihre Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung, werden anhand von Stellungnahmen verschiedener Akteure einander gegenübergestellt, wobei sich ein Interview mit dem damaligen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, als roter Faden durch den Film zieht und die Aussagen von Bauern, Ökonomen, und den Chefs von Nahrungsmittelkonzernen verbindet.

Landgrabbing ist eines der drängenden Probleme nicht nur für kleinbäuerliches Wirtschaften und wird in verschiedenen Filmen aufgegriffen. In seinem Film „Das Grüne Gold – Dead Donkeys fear no Hyenas“ (Schweden, Deutschland, Finnland 2016, 82 Min.) geht Joakim Demmer den Auswirkungen massiven kommerziellen Ansturms auf Ackerland in Äthiopien nach. In dem Land, das von Hungersnot betroffen ist, verpachtet die Regierung Millionen Hektar scheinbar ungenutzten Landes an ausländische Investoren, in der Hoffnung auf Exporteinnahmen. Verbunden damit ist die größte Zwangsvertreibung in der heutigen Zeit, eine bösartige Spirale der Gewalt und die Missachtung der Meinungsfreiheit.

Auch der Spielfilm „Ephraim und das Lamm“ von Yared Zeleke (Äthiopien 2015, 91 Min.) befasst sich mit den Auswirkungen des Hungers in Äthiopien. Als der 9-jährige Ephraim von seinem Vater zu Verwandten ins grüne Hochland gebra cht wird, um dem Hunger in seinem Heimatdorf, dem seine Mutter zum Opfer gefallen ist, zu entgehen, nimmt er sein Lamm, ein Geschenk der Mutter mit, in der Hoffnung, bald wieder nach Hause zurückkehren zu können. Doch muss der Junge bald lernen, dass es kein Zurück gibt un er sich in der neuen Heimat zurechtfinden muss.

Die Auswirkungen von Lansraub bekamen auch die Bauern in Mubende in Uganda zu spüren, als sich die Kaffeegruppe Neumann scheinbar unbebautem Landes ermächtigte. „Der Fall Mubende oder der bittere Geschmack der Vetreibung“ von Michael Enger (Deutschland 2015, 30 Min.) greift den Fall auf, der von betroffenen Bauern mit Unterstützung der internationale Menschrechtsorganisation FIAN vor Gericht gebracht wurde und nach jahrelangem Kampf zu einem Vergleich geführt werden konnte.

Auch die Dorfgemeinschaft der Tamaquito im Norden Kolumbiens sind durch die Übernahme eines internationalen Konzerns bedroht, nämlich dem Kohleabbau der Minengesellschaft El-Cerrejón. Ihre eng an den natürlichen Gegebenheiten angepasste Lebensform erlebt tiefgreifenden Wandel. Die Umsiedlung in landwirtschaftlich schwierig zu nutzende Regionen zerstört ihre Lebensgrundlage. „La Buena Vida – das Gute Leben“, so der Titel des Films von Jens Schanze (Deutschland 2013, 90 Min.), wie die Tamaquito es kannten, gehört der Vergangenheit an.

In den letzten 20 Jahren entwickelte sich Paraguay zum viertgrößten Exporteur gentechnisch veränderten Sojas. Dabei wurden nicht nur große Waldgebiete vernichtet, sondern auch die Existenz der Kleinbauern zunehmend in Frage gestellt. Der Kleinbauer Gerónimo Arevelo, den Bettina Borgfeld und David Bennet in ihrem Film „Raising Resistance“ (Deutschland, Schweiz 2011, 84 Min.) begleiten, und seine Nachbarn wollen dies nicht länger hinnehmen. Mit Demonstrationen und Landbesetzungen kämpfen sie um die Erhaltung der Lebensgrundlage für sich und ihre Familien. Dabei ist der Konflikt mit Soja-Großbauern, Gentechnikern, Saatgutherstellern und Aktienanlegern vorprogrammiert. Die riesigen Felder, die mit gentechnisch verändertem Saatgut bearbeitet werden, erfordern einen massiven Einsatz von Herbiziden, der auch  die Felder der Kleinbauern mit ihren herkömmlich produzierten Pflanzen, die, wie es Geronimo formuliert, in einem „Meer von Soja“ liegen, zerstört. Die genetisch veränderten Sojapflanzen stören das ökologische Gleichgewicht und die Vielfalt von Pflanzen und Kulturen empfindlich, ja vergiften nicht nur die Felder, sondern häufig auch das Trinkwasser.

In ihrem Film „Die Kämpfer des Dorfes Quiugang“ (USA, China 2010, 40 Min.) begleitet Ruby Lee die Aktivitäten einer Gruppe von Dorfbewohnern, die sich in der zentralchinesischen Provinz Anhui gegen die massiven Umweltzerstörungen durch eine Pestizidfabrik wehren. Im Mittelpunkt steht Bauer Zhang Gongli, der sich nicht scheut, vor Gericht zu gehen, um die Rechte der Dorfbewohner durchzusetzen. Um sich wehren zu können musste er nicht nur lesen und schreiben lernen, sondern sich auch in die Umweltgesetzgebung Chinas einarbeiten. Nur so konnte er seine Rechte überhaupt kennenlernen und auch deren Einhaltung einfordern. Der Film zeigt die enorme Umweltzerstörung, mit der vor allem die Landbevölkerung Chinas konfrontiert ist, und die Resultat der mit enormer Geschwindigkeit vorangetriebenen Modernisierung und Industrialisierung Chinas ist. Er zeigt aber auch, welche Möglichkeiten die sich langsam formierende Zivilgesellschaft hat, ihre Rechte einzufordern.

Marie-Monique Robin recherchiert in ihrem Film „Monsanto – mit Gift und Genen“ (Frankreich 2007, 109 Min.) die Forschungs- und Geschäftspraktiken des großen, mittlerweile zu dem deutschen Unternehmen Bayer gehörenden Chemiekonzern. Was ist aus den Versprechungen, zur Ernährungssicherheit beizutragen, geworden?

Bertram Verhaag folgt in seinem Film „Code of Survival“ (Deutschland 2016, 98 Min.) den Auswirkungen des Gebrauchs von Monsantos Glyphosat Round Up auf die Felder weltweit. Dort sind mittlerweile resistente Unkräuter entstanden, die das Wachstum von Nutzpflanzen massiv zerstören. Dieser Form der zerstörerischen Landwirtschaft stellt der Film drei nachhaltige Projekte gegenüber: Die Teeplantage Ambootia in Indien, Darjeeling, in 2000 m Höhe. Die ökologische Anbauweise verhindert das Abrutschen der durch den Kunstdüngereinsatz erkrankten Teegärten und rettet damit eine ganze Region. Das Projekt SEKEM des alternativen Nobelpreisträgers Ibrahim Abouleish, der vor 40 Jahren inmitten der Wüste seine biologische Farm gründete, konnte in der Wüste fruchtbaren Boden erzeugen und ökologische Landwirtschaft betreiben. Der bayerische Bauer Franz Aunkofer war einer der ersten Biobauern Deutschlands und der erste biologische Schweinemäster. Durch seine Pionierarbeit erwirtschaftet er inzwischen denselben Ertrag, wie im konventionellen Anbau. Durch die Gegenüberstellung der ökologischen Landwirtschaft mit den Auswirkungen des giftgestützten Anbaus stellt sich die Frage, in welcher Art von Landwirtschaft der „Code of Survival“ unseres Planeten liegt.

In seinem neuesten Film „Aus Liebe zum Überleben“ (2019, 84 Min.) begibt sich Bertram Verhaag auf eine Reise zu acht mutigen Menschen, die ihre Geschichte erzählen wie sie dazu kamen, eine Landwirtschaft zu betreiben, die ohne Gifte und ohne Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit auskommt: „Alle reden von der Agrarwende – wir nicht, wir haben uns schon gewendet!“

Klimawandel als Bedrohung für bäuerliche Familien: Mit dieser Herausforderung kämpft der kenianische Bauer Kisilu Musya. Als er von der Filmemacherin Julia Dahr eine Kamera erhält, beschließt er, seinen Alltag ein Jahr lang mit der Kamera festzuhalten. Die Veränderungen des Wetters, das von Dürre zu Überschwemmung reicht zerstört nicht nur seine Sicherheiten, sondern die der gesamten Region. Er setzt sich zur Aufgabe, neue und angepasste Anbaumethoden für sich und seine Nachbarn zu entwickeln und sich politisch zu betätigen, um auf die Katastrophe auch international aufmerksam zu machen. „Danke für den Regen“, so der nachdenklich stimmende Titel des Films (Norwegen, Großbritannien 2017, 59 Min.)